Die Söhne.
machst?« fragte er und nahm die halbfertige Figur in seine Hand. »Es sollte eine Göttin werden«, sagte, ein wenig befangen, Paulus. Den Josef kränkte es, daß sein Sohn in seinem Hause Götterbilder anfertigte. Aber er verbarg seinen Unmut und fragte ruhig: »Was für eine Göttin?« Paulus hatte nicht gelernt, zu lügen. Überrötet sagte er: »Es ist die Göttin Rom. Aber eigentlich ist es keine Göttin, es ist deine Hausgenossin Valeria Tullia.« Josef war erstaunt, er fragte weiter, und Paulus erzählte, ein wenig zögernd, aber ehrlich, von Tullia, der Göttin Rom und dem Ballspiel.
Natürlich wußte Josef, daß die Freundschaft zwischen seinem kleinen Sohn und Tullia nichts weiter war als eine Jungensneigung, wie er selber sie im Alter des Paulus oft gespürt hatte. Dennoch war es ihm unbehaglich, daß sich sein Sohn gerade in diese saure altrömische Tullia vergafft hatte. Die Verehrung des Malers Fabuli für alles Römisch-Strenge, Traditionelle hatte sich offenbar auf den Knaben vererbt. Das verdroß Josef. Er wollte, daß sein Sohn was mehr sei als ein Römer. Zum erstenmal überkamen ihn Zweifel, ob er damals recht getan hatte, als er den Jungen an Dorion zurückgab.
Er begann sich eifriger um Paulus zu bemühen. Unvermittelt, hastig, dringlich warb er um ihn. Aber es war zu spät. Worte, die vor einigen Wochen den Knaben beglückt hätten, erreichten jetzt nur eben sein Ohr. Auch konnte Josef den Groll über sein römisch-griechisches Gehabe nicht immer zähmen. Die Wand zwischen Vater und Sohn wollte nicht fallen.
Eines Tages, als Paulus gerade zu Besuch war, kam Justus ins Zimmer; er hatte geglaubt, Josef sei allein. Er beschaute den Jungen, doch ohne Neugier. Das gefiel Paulus. Seit seinen Prozessen starrten die meisten, sowie sie erfuhren, wer er war, ihm frech und lange ins Gesicht. Justus aber saß dünn und streng da, beachtete ihn wenig, führte vielmehr eine gelassene Konversation mit seinem Vater, ihm oft widersprechend, ruhig und sachverständig, wie es schien. Der einarmige Mann mit den unnachgiebigen Ansichten machte Paulus einen immer stärkeren Eindruck, und er war verblüfft, als er aus dem Gespräch ersah, daß Justus Jude war. Als er gar erfuhr, daß er schon am Kreuze gehangen und lebendig wieder heruntergekommen war, ließ er alle stoische Zurückhaltung fahren. Knabenhaft dringlich fragte er ihn aus, lauschte offenen Mundes seinen Erzählungen.
Ja, dieser Jude Justus mit seinem erlesenen Griechisch, dieser Abenteurer, der aus seinem Heldentum kein Wesens machte, sondern es trocken ironisierte, nahm schon während der ersten Begegnung das Herz des Jungen gefangen. Nur schwer konnte sich Paulus vom Anblick seines entfleischten Gesichtes, seines leeren Ärmels losreißen, und als er, später als sonst, ging, erkundigte er sich eifrig, ob er ihn das nächste Mal beim Vater wiedersehen werde.
Josef wunderte sich, daß sein Sohn sich vor diesem Fremden mit einemmal so aufschloß. Es freute ihn, daß ein Jude dem Jungen so imponieren konnte, und es wurmte ihn, daß gerade Justus dieser Jude war. Als Paulus ihn eingehend befragte, wer und was denn dieser Justus sei, kämpfte er mit der Versuchung, ihm allerlei Unfreundliches über ihn zu sagen. Aber er überwand sich und erklärte seiner Überzeugung gemäß, dieser Mann sei unter den Lebenden der größte Schriftsteller. Ein klein bißchen kränkte es ihn, daß Paulus das ohne Widerspruch anhörte und nicht auf die Büste im Friedenstempel hinwies.
Mit geteiltem Gefühl sah er, wie sein Sohn mit wachsendem Eifer um den Einarmigen warb. So wortkarg sich der Junge im Gespräch mit ihm gegeben hatte, so gerne jetzt schwatzte er mit Justus. Sichtlich wurde die römische Tullia in seiner Neigung und Phantasie durch den Juden Justus abgelöst. Josef fand das gut, dennoch kratzte es ihn. Am meisten wurmte ihn, daß Justus sich die stürmische Liebe des Paulus gerade eben gefallen ließ. Er sah genau, was war: daß nämlich der Knabe der Werbende war und Justus ihn mehr abwehrte als ermutigte; trotzdem und wider alle Vernunft wuchs in ihm der Glaube, Justus nehme, ein unlauterer Rival, ihm seinen Sohn weg. Hinterhältig begann er, Paulus auszuhorchen, ob nicht Justus ihn gegen den Vater hetze. Es stellte sich heraus, daß Justus niemals auch nur das leiseste abfällige Wort über ihn sprach. Aber das tröstete ihn nicht. Wird nicht der feinhörige Knabe, auch ohne daß der andere spricht, seine Meinung über ihn
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