Die Söhne.
auf seine Antwort. »Ich werde den Vater gerne besuchen«, erwiderte er.
Verlegen, nicht ohne frohe Spannung, betrat er das Haus im sechsten Bezirk wieder, in dem er sich so lange als Gefangener gefühlt hatte. Er hatte sich vorgenommen, sich vor Josef männlich zu geben, herzhaft, auf die Art des Annius. Aber der Vater, den er wiederfand, war nicht der Vater, den er kannte, es war ein fremder Herr mit einem unbekannten Bart.
Josef war sichtlich erfreut, daß sein Paulus kam, aber es war eine gelassene Freude, keine stürmische. Langsam nur kam die Unterredung in Gang. Josef erkundigte sich nach den Fortschritten des Paulus im Lenken seines Ziegengespanns, nach dem Bocke Paniscus. Paulus interessierte sich zur Zeit mehr für einen andern Sport, für die komplizierten Arten des Ballspiels. Im Dreispiel mit dem Lederball etwa, das durfte er wohl behaupten, war er bereits sehr gut, bald wird er sich sogar an den Glasball heranwagen dürfen. Das konnte man nur nach langem Training; denn Glasbälle waren teuer, ein Fehlwurf kostete ein kleines Vermögen. Am Ballspiel hatte auch Josef von jeher Gefallen gefunden, er selber stellte darin seinen Mann, und eine Zeitlang unterhielten sich Vater und Sohn angeregt. Doch bald wieder geriet ihr Gespräch ins Stocken, und Paulus griff mechanisch nach dem Ärmel seines Kleides, worin er noch vor kurzer Zeit Kitt für seine Tonfiguren verwahrt hatte. Vor ein paar Wochen, an seinem Geburtstag, hatte er sich gelobt, diese kindische Gewohnheit abzulegen. Josef sah auf den schlanken, prinzlichen Jungen, seinen Sohn, er gefiel ihm, und er war ihm sehr zugetan. Aber war es ihm wirklich einmal bis ans Mark des Lebens gegangen, daß er zu diesem Knaben keinen Weg hatte finden können?
Paulus zermarterte sich den Kopf, wie er seinem Vater zeigen könnte, daß er es hochanständig fand, wie der sich damals benommen. Aber Josef erwähnte das Vergangene mit keinem Wort: das war taktvoll, erleichterte aber nicht das Vorhaben des Paulus. Der Knabe hatte nicht gelernt, zärtlich zu sein, im Gegenteil, Phineas hatte ihm beigebracht, ein Mann müsse seine Gefühle verbergen. Schließlich sagte er stockend: »Willst du mir nicht das Buch geben mit den Geschichten vom starken Simson? Ich möchte sie gerne noch einmal lesen.« Josef schaute hoch, leicht überrascht. Aber er erwiderte nur: »Gewiß will ich es dir geben«, und sah nicht, welche Überwindung es den Jungen gekostet hatte, ihn um das Buch zu bitten.
Alles in allem war das Zusammentreffen mit seinem Vater für Paulus eine Enttäuschung; dennoch war es ihm nicht unangenehm, daß Dorion auf eine Wiederholung dieses Besuches drängte. Es bildete sich der Brauch heraus, daß er jede Woche einmal zu Josef ging. Aber sie kamen einander nicht näher. Der Junge bot sich dem Vater auf seine zurückhaltende Art an, Josef zeigte sich ihm zugetan und sehr freund, aber eine wirkliche, letzte Vertrautheit wollte sich nicht einstellen.
Eines Tages fragte Paulus seinen Vater, wie schon früher einmal, nach seinem toten Bruder Simeon. Dieser sein toter Bruder beschäftigte seine Gedanken. Den Josef rührte die Frage auf. Aber dem Manne, der die Menschen und die Schlachten des jüdischen Krieges so lebendig hatte darstellen können, gelang es nicht, die Gestalt seines jüdischen Sohnes lebendig zu machen. Er erzählte mancherlei, aber nicht erzählte er, wie Simeon seinen Freund Constans in die Arena hineingeschmuggelt hatte und sich dadurch ein Eichhörnchen erworben hatte, nicht erzählte er von Simeons Vorliebe für den Gaul Silvan und von seinen Anstrengungen, das Modell der »Großen Deborah« anzufertigen, nicht von seiner Vorliebe für den Fluch »Beim Herkel«. Vielmehr pinselte er eifrig bemüht ein blasses, idealisiertes Bild Simeon-Janikis zusammen, das Paulus nicht sehr gefiel. Und der Knabe fragte nicht länger nach seinem toten Bruder.
Manchmal, wenn Paulus zu Josef kam, begleitete ihn Dorion. Ihre Bekanntschaft mit Valer mußte ihr als Vorwand dienen. Sie suchte natürlich nicht Josef auf, sondern den alten, grollenden, ausgeschifften Senator. Valer wohnte im obern Stockwerk, sein Leibeigener ließ, wie es Sitte war, den Aufzugskorb an der Außenseite des Hauses nieder, um der vornehmen Besucherin das Ersteigen der Treppe zu ersparen. Allein Dorion erklärte, der Leibeigene des alten Valer sei so alt und klapperig, daß sie sich ihm nicht anzuvertrauen wage, und benutzte die Treppe.
Aber niemals begegnete sie
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