Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
auftat. »Laß, bitte, Paulus nichts von diesen Dingen hören«, war alles, was er am Ende auf Dorions Ausbruch zu erwidern hatte.
      Mit diesem Ausbruch war übrigens Dorions Wut vorbei, und nichts mehr blieb als ihr Vorsatz, sich Josef zurückzuholen. Bevor Paulus das nächste Mal den Vater aufsuchte, gab sie ihm, die Stimme ein wenig gepreßt, Auftrag, ihn einzuladen, sich doch das Haus in Albanum anzusehen, das nun endlich fertig sei.
      Zwei Tage später fuhr Josef nach Albanum. Er hatte kein Aug für die schöne, gewellte, frühsommerlich leuchtende Landschaft, kein Aug für die sanften Hügel, den lieblichen See, das weitstrahlende Meer, kein Aug für die schönen Villen die Hänge hinauf, die Seeufer entlang. Er kam ohne Plan, er wollte nichts von Dorion, aber er war seiner nicht sicher, wußte nicht, wie ihr Anblick, ihre Rede jetzt auf ihn wirken werde, war erregt und voll Unbehagen.
      Diesmal erwartete sie ihn am Haupttor der Besitzung. Die Freude, ihn wiederzusehen, machte ihr Gesicht strahlen. Sie reichte ihm beide Hände, geleitete ihn ins Haus, war wie in ihrer besten Zeit, kindlich und spitz. Mit liebenswürdiger Aufmerksamkeit spähte sie nach jeder Änderung, die in ihm vorgegangen sein mochte, sagte ihm tausend nette, kleine Bosheiten, warb um ihn mit allem, was sie hatte. Jagte sogar den Kater Chronos aus dem Zimmer, als er Josef zu stören schien.
      Sie gefiel Josef sehr, er kostete ganz aus, was an ihr reizvoll war. Doch das war alles. Er hatte sich dieser letzten Prüfung nicht ohne Angst unterzogen; bald und mit Freuden erkannte er: er hatte sie bestanden. Er war geheilt, und für immer, von jener Passion, die ihn so oft erniedrigt und ihn Dinge gegen seinen Willen und gegen seine Bestimmung hatte tun lassen. Er konnte mit dieser Frau Freundschaft halten, wenn sie wollte, aber niemals mehr wird er sein Leben oder sein Werk um ihretwillen gefährden. Er fühlte sich sicher und genoß mit Gelassenheit seinen Sieg.
      Selbst den Phineas konnte er mit Gelassenheit sehen. Phineas hatte damit gerechnet, daß Josef ihm allerlei Bösartiges über ihre gemeinsame Vergangenheit sagen werde. Aber Josef sagte nichts dergleichen, er gestattete sich keine Äußerung billigen Triumphs, ja, er machte gutmütige, kleine Späße über das, was einmal ein Kampf auf Leben und Tod gewesen war. Diese Gelassenheit des Josef reizte den Phineas und machte ihn nervös, seine Überlegenheit schwand, sein großer Kopf wurde noch blasser und spannte sich angestrengt. Dorion aber fühlte sich durch die Wohltemperiertheit, die Josef in Rede und Verhalten bezeigte, tiefer gedemütigt, als jeder Hohn sie hätte demütigen können.
      Als Paulus und Phineas sich entfernt hatten, machte sie einen letzten Versuch. Sie erzählte Josef, wie sehr Annius in sie dränge, ihn zu heiraten; allein er, Josef, habe nicht unrecht gehabt, Annius sei laut und falle ihr manchmal auf die Nerven, es fehle ihm für viele Dinge, die ihr am Herzen lägen, das innere Ohr. Sie gab ihren Soldaten preis und wartete darauf, daß Josef ihr jetzt vorschlagen werde, den Annius zu verabschieden und wieder mit ihm zu leben.
      Doch Josef schlug ihr nichts dergleichen vor. Vielmehr zeigte er sich um Dorions äußere Zukunft kühl besorgt und meinte, Annius, als nächster Freund des Prinzen, werde sehr wahrscheinlich einmal das Oberkommando der Armee erhalten, und Dorion möge es sich zweimal überlegen, ehe sie um kleiner Bedenken willen eine solche Chance ausschlage.
      Dorion war, als Josef ging, blaß vor Wut, ihr Herz drohte zu versagen. Sie stellte die Statuette des Beschnittenen wieder auf, die sie weggeräumt hatte, bevor Josef kam, und als Annius sie das nächste Mal bat, den Termin ihrer Hochzeit festzulegen, hatte sie keinen Einwand mehr.

    Die äußeren Dinge Josefs standen in diesem Frühsommer nicht schlecht. Seine Gesundheit war gut, Claudius Regin war freigebig, so daß er die Schulden abzahlen konnte, die die Lösung von Dorion ihm aufgebürdet hatte, seine literarische Geltung war seit der Aufstellung seiner Büste unbestritten, die Feindschaft der Juden gegen ihn hatte merklich nachgelassen, seitdem man wußte, wie der Großdoktor ihn geehrt. Trotzdem war das Glücksgefühl längst verflogen, das ihn bei seiner Rückkehr nach Rom überkommen. Er litt an seiner Unfähigkeit zur Arbeit, und die Zeit, die ihm sein ganzes Leben hindurch zu kurz gewesen war, wurde ihm jetzt zu lang.
      Viele Stunden saß er in den

Weitere Kostenlose Bücher