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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ihrem früheren Gatten Josef.
      Paulus, wenn seine Mutter den alten Valer besuchte, stieg oft hinauf, sie abzuholen. Der degradierte Senator hatte an jener Weizenspekulation gegen Marull und Claudius Regin teilgenommen, an der so viele Mitglieder der republikanischen Partei ihr Geld verloren hatten, und dabei die Reste seines Vermögens eingebüßt. Jetzt enthielt seine Wohnung nur mehr den notdürftigsten Hausrat, ihre Einrichtung bestand im wesentlichen aus den dichtgedrängten Wachsbüsten der Ahnen, ihren verstaubten Liktorenbündeln, vermotteten Prunkkleidern, zerfallenden Triumphatorenkränzen; sein ganzes Personal war jener alte, gebrechliche Leibeigene.
      Valer selber war noch steifer und dürrer als früher. Mit der Armut stieg seine Würde. Nach wie vor lehnte er es ab, das verweichlichende Unterkleid zu tragen, das man in den letzten drei Jahrhunderten eingeführt hatte, und hielt fest an der rauhen, simpeln Tracht der Vorväter. Es kümmerte ihn nicht, daß er diese konservative Gesinnung mit einer Erkältung zu bezahlen hatte, die ihn den größten Teil des Jahres hindurch behelligte. Auf seine vielen stolzen Namen allerdings hatte er verzichtet. Nachdem mit Duldung der Regierung immer mehr Pöbel sich die alten Geschlechternamen anmaßte, hielt er, der einzige noch lebende Enkel des Äneas, es nicht für angebracht, mehr als zwei Namen zu tragen; er strich von seinen einund zwanzig Namen neunzehn und nannte sich schlicht Valerius Tullius.
      Dorion war ihm ein willkommener Gast. Er anerkannte es, daß sie sich gegen seinen widerwärtigen Hausgenossen Flavius Josephus aufgelehnt hatte, diesen von der Hure Fortuna begünstigten Emporkömmling aus der barbarischen Provinz Judäa. Mit Vergnügen sah er den schlanken, stolzen, jungen Paulus, den sie den Juden entrissen und den Römern gewonnen hatte. Aber diese seine Freude an Dorion und dem Knaben machte ihn nicht umgänglicher; auch wenn sie da waren, hielt er sich würdig, bitter, wortkarg. Seine Tochter, die weißhäutige, schwarzhaarige Tullia, war nicht redseliger. Dorion mußte ihre Versuche, Josef zu Gesicht zu bekommen, teuer bezahlen.

    Der Knabe Paulus schien sich in der strengen Atmosphäre Valers wohl zu fühlen. Da die Bindung zwischen ihm und der Mutter und zwischen ihm und Phineas nicht mehr so eng und sicher war wie früher, da es so schwerhielt, dem Vater näherzukommen, wußte er es zu schätzen, wenn man ihm Neigung entgegenbrachte, und er merkte trotz der Einsilbigkeit des Alten bald, daß der ihn mochte. Es schien ihm ehrenvoll, daß Valer in ihm einen heranwachsenden Römer sah, und wenn der Alte ab und zu ihn und seine Tochter Tullia seine Kinder nannte, war das für Paulus ein Fest.
      Das Kind Tullia war immerhin zweiundzwanzig Jahre alt; doch hätte, wer nicht Bescheid wußte, sie eher für die Enkelin als für die Tochter Valers gehalten. Ihr langer, weißgesichtiger Kopf saß kindlich steif auf dem zierlichen Hals über den schmalen, fallenden Schultern, und unter der hohen, sehr schwarzen, kunstvollen Frisur wirkte die Haut des Gesichtes ungemein zart. Josef, der seine Hausgenossen vom obern Stockwerk so wenig liebte wie diese ihn und sich gern über sie lustig machte, hatte gelegentlich zu Marull gesagt, Tullia sei jetzt schon mit ihren zweiundzwanzig Jahren eine alte Jungfer, und als Marull erwiderte, er finde die steife, spröde Anmut des Mädchens nicht ohne Reiz, hatte Josef lebemännisch den Ovid zitiert: »Nur die ist keusch, um die keiner wirbt.« Doch Marull war damit nicht einverstanden. Er fand, und nicht als einziger, Tullia zwar scheu, aber keineswegs säuerlich und sah in ihrem Hochmut nur eine Maske ihrer Verlegenheit. Wie sollte sie auch, von ihrem kauzigen, querköpfigen Vater zu einem abgesperrten Leben gezwungen, gesellige Talente entwickeln?
      Um diese Zeit wurde der Tempel der Göttin Rom renoviert. Die flavische Dynastie pflegte den Kult der Göttin mit Eifer, und Titus beauftragte keinen Geringeren als den Bildhauer Basil, ein neues Erzbild der Göttin zu gießen. Raunzend unterzog sich der beschäftigte Mann der Aufgabe, und niemand bekam sein Werk zu sehen, bevor das Heiligtum neu geweiht wurde. Dann, zur Verblüffung aller, zeigte die Göttin ein sehr anderes Aussehen als bisher. Nicht die wuchtige Heroine, die man gewohnt war, hob sich auf dem Sockel, sondern eine schmale, strenge Mädchenfigur mit einem rührenden, ernsten und kindlichen Antlitz, und ihre gewaltigen Attribute, Mauerkrone,

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