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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Füllhorn, Lanze und Schild, unterstrichen, durch den Gegensatz, die strenge Zartheit der Gestalt und des Antlitzes. Die eigenwillige Modernität des Bildwerks erregte in den Kunstkreisen Roms heftige Kontroversen. Auch Phineas ließ es sich nicht nehmen, mit seinem Zögling die Statue zu besichtigen.
      Ihm, der von jeher ein Anhänger des Basil gewesen, gefiel dessen neue Schöpfung außerordentlich, und in lebhaften Worten setzte er dem Paulus die Schönheiten der Statue auseinander. Paulus stand lange vor dem Erzbild, betrachtete es aufmerksam, hingegeben, aber er äußerte kein Wort. Phineas fand, das Gesicht der Göttin sei ungeheuer lebendig, sicherlich sei es ein Porträt, es erinnere ihn auch an ein bestimmtes Gesicht. Lange besann er sich vergeblich, an welches. »Aber natürlich«, erinnerte er sich endlich, »das ist doch unsere Tullia.« Doch da wurde der bisher stille Paulus lebendig. Heftig schüttelte er den dünnen, braunhäutigen Kopf. »Nein, das ist nicht unsere Tullia«, erklärte er, und »Das ist nicht unsere Tullia«, beharrte er, als Phineas ihn auf die Ähnlichkeit der Einzelzüge hinwies.
      Dorion war erstaunt, als, bei dem nächsten Zusammensein mit Valer, ihr Paulus plötzlich in eine der vielen Pausen des Gesprächs, sich an Tullia wendend, jungenhaft hineinplatzte: »Nein, er hat Sie nicht getroffen.« Zuerst verstand Dorion nicht, was er meinte; Tullia aber verstand sogleich, und in ihr schmales, zartes Gesicht stieg eine leise Röte. »Was soll das heißen, Paulus?« tadelte Dorion. »Wer hat unsere Tullia nicht getroffen?« – »Der Bildhauer Basil natürlich«, erwiderte Paulus, ein bißchen verlegen über sein früheres Ungestüm, und mit altkluger Sachverständigkeit verteidigte er sich: »Jedermann sagt, die Göttin Rom sei Tullia so ähnlich. Nicht wahr, mein Phineas, auch Sie haben es gesagt. Aber nein, es stimmt nicht, sie hat gar keine Ähnlichkeit.« Dem Senator hatte es in seinem Innern geschmeichelt, daß man seine Tochter zum Modell der Göttin Rom erwählt hatte, aber »Es ist auch besser so«, grollte er jetzt, während Tullia weiß, streng, unnahbar hochmütig dasaß. Dorion, mit einem ganz kleinen Lächeln, verwies ihren Jungen: »Du nimmst dir allerhand heraus, Paulus.« Und zu Valer, entschuldigend, sagte sie: »Er glaubt, weil er der Enkel des Malers Fabull ist, sei er der geborene Kunstkritiker.«
      Als man sich zum Gehen anschickte, durchbrach Paulus seine Scheu noch mehr. Wider Willen errötend, den Atem nicht ganz in seiner Gewalt, fragte er Tullia, ob sie nicht einmal nach Albanum herauskommen wolle, damit er ihr sein Ziegengespann vorführen könne. Dorion war angenehm verwundert, daß ihr sonst so zurückhaltender Sohn in der verstaubten, musealen Luft dieses Hauses so aus sich herauszugehen wagte, und als er Tullia gar noch aufforderte, mit ihm in Albanum Ball zu spielen, unterstützte sie ihn: »Er ist wirklich kein schlechter Spieler. Sie werden keinen leichten Stand gegen ihn haben, meine Tullia.« Das Mädchen erwiderte, sie habe nur als Kind Ball gespielt, solange sie noch das Gut in Campanien hatten; seither habe sie viel verlernt. »Man braucht Sie nur anzusehen«, sagte stürmisch Paulus, »und man weiß, daß Sie der geborene Champion sind. Wenn Sie erst zweimal wieder gespielt haben, vertraue ich Ihnen ohne weiteres meine Glasbälle an.« – »Wir könnten sie dir nicht ersetzen, mein Paulus«, erwiderte das Mädchen, und das Lächeln, mit dem sie von ihrer Armut sprach, ließ sie noch stolzer erscheinen.
      Paulus ging jetzt oft in den Tempel der Göttin Rom, trotz
    dem er nicht an seinem Wege lag, und die Priester und Tempeldiener freuten sich über den jungen, eifrigen Verehrer.
      Übrigens riß sich Tullia wirklich aus dem Haus im sechsten Bezirk los und fuhr nach Albanum. Sie taute während des Ballspiels sichtlich auf und erwies sich als eine nicht ungeschickte Partnerin. Gleichwohl zog es Paulus auch beim viertenmal noch vor, mit Lederbällen zu spielen und seine Glasbälle zu schonen.

    Seinem Vater erzählte er nichts von seiner neuen Freundschaft. Es war ein Zufall, der sie Josef entdecken ließ. Eines Tages nämlich, als er den Knaben allein hatte warten lassen, fand er ihn eifrig damit beschäftigt, wieder, wie früher, aus Kitt ein Figürchen zu kneten. Noch immer war in Josef der heftige Widerwille gegen alles Bilderwesen, und es verdroß ihn, daß der Junge jetzt von neuem damit anfing. »Was ist das, was du da

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