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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Werkstätten des Alexas. Der Glasfabrikant selber und seine Vorarbeiter zeigten ihm die Feinheiten ihrer Kunst, führten ihm vor, wie man in die erhärtete Glasmasse Figuren schneidet, wie man mit listiger und komplizierter Methode die Masse färbt, wie man den spröden, zerbrechlichen Stoff zu ganz feinen Fäden spinnt, mittels deren man Goldplättchen einfügt. Aber es waren nicht diese Raffinements, die Josef anzogen, vielmehr konnte er stundenlang hocken und vor sich hin in den Schmelzofen starren, in dem aus Sand und Soda der neue Stoff entstand, das Glas; eine winzige Veränderung der Dosierung machte diese neue Masse edel oder unedel, und mit letzter Sicherheit konnte selbst der Sachverständigste das Resultat nicht vorherbestimmen. Auch der Herstellung der einfachen Glasgeräte schaute Josef oft und lange zu. Es fesselte ihn, wie die Arbeiter ihre simpeln Formen, kleine und größere Gefäße, schmälere und mehr bauchige, mittels ihrer langen Pfeifen aus der heißen Masse herausbliesen, gegen eine eiserne Platte, dergestalt, daß die geblasene Masse die gewünschte Figur annahm. Immer von neuem wunderte er sich, wie dann ein Tropfen Wassers genügte, das Geblasene von der Pfeife zu sondern. Er schaute zu, wie zwei Arbeiter, jeder mit seiner Pfeife, Formen ineinanderbliesen, den Hals des Gefäßes der eine, den Bauch der andere, und es machte ihn nachdenklich, wie in jedem einzelnen Fall Kunst und Glück sich mischen mußten, ehe auch nur das Einfachste gelang. Denn auch dem Geübten konnte es geschehen, daß in der heißen Masse infolge irgendeines unvorsehbaren Zufalls ein Loch entstand, eine Höhlung, die das Geblasene wertlos machte oder es gar noch vor der Vollendung und mit Gefahr des Arbeiters zerspringen ließ.
      Alexas hatte längst gemerkt, daß Josef nicht mehr der Mann war, der keinen Glückwunsch brauchte. Oft betrachtete er ihn, hockte sich wohl auch für eine Weile neben ihn, dick, trüb und schweigsam, und es war ihm sehr leid, daß nun auch dieser einzige Glückliche, den er kannte, nicht glücklich zu sein schien.
      Josef aber saß und sah dem Werden der Glasfiguren zu: wie die erträumte Form bald glückte, bald mißlang, ein neckisches, tückisches Spiel, abhängig von der Kunst des einzelnen, doch nicht von ihr allein, ein Bild des Lebens. Denn wessen Leben war nicht gemischt aus seinem eigenen Wesen und aus einem Andern, Unerforschlichen, mochte man dieses Andere ökonomische Verhältnisse nennen oder Schicksal oder auch Jahve. Und wer selber wäre nicht gemischt wie der Stoff, aus dem diese Formen herausgeblasen wurden, aus vielen zufälligen Bestandteilen, die untrennbar ineinandergefügt waren und trotzdem so, daß einmal an seinem bestimmten Tag ein jeder von diesen Bestandteilen zu seiner Wirkung kam. War er selber, Josef, nicht gemacht aus Hohem und sehr Niedrigem, aus gemeiner Gier nach Geltung und Genuß und aus reiner Liebe zum Guten und Schönen, aus Schleim und Kot und Gottes Hauch und Lehre, aus der Geschichte seiner Väter und seinen eigenen Süchten, aus einem Stück Moses und einem Stück Korah, aus einem Stück Kohelet und selbst aus einem Stück Pedan? Und während die Flammen vielfältig und vielfarbig auf und nieder gingen, groteske Schatten werfend, dachte Josef an die zahllosen Bilder, aus denen sein Leben sich zusammensetzte, an die Ödnis Jerusalems, an seine Büste im Friedenstempel, an seinen Freund Justus, an seinen Sohn Paulus, an das Werk, an dem zu arbeiten ihm aufgetragen war und das er wahrscheinlich nie wird vollenden können.
      Er atmete auf, als Justus Rom verließ und nach Alexandrien zurückkehrte, um dort sein Werk zu vollenden.
      Das Schiff, das Justus forttrug, hatte Josef Maras Antwort gebracht. Sie teilte ihm mit, daß sie ihm ein Kind geboren habe, ein Mädchen, und ihr Name sei Jalta. Sie werde mit dem Kind nach Rom kommen, doch sicher nicht vor dem späten Herbst, mit einem der letzten Schiffe.

    Um diese Zeit schrieb Josef den »Psalm vom Glasbläser«.

    Der häßlichen, ungestalten Masse gleich
In der Pfeife des Glasbläsers
Sind wir, und keiner von uns weiß,
Was aus ihm wird.
Des Glasbläsers Hauch macht aus uns
Kleines bald, Niedliches, Puppiges,
Nett anzuschauen oder auch häßlich,
    Dann wieder Großes, Bauchiges, gut zum Gebrauch, Oder auch Plumpes, Ungefüges.

    So formt uns unser Schicksal, Die Welt der Daten und Ziffern um uns.

    Doch nicht immer gerät Nach Willen die Form
    Dem Bläser. Oft in der Masse
Bläht es sich,

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