Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
daß sie
Zerspritzt, ihm versengend das Antlitz.
    So hat auch ihre Grenze
    Die Welt der Daten und Ziffern. Über ihr ist
    Ein Unerforschliches, die große Vernunft, Und ihr Name ist: Jahve.

    Ein hoher Anblick ist es, wenn plötzlich
Aus Sand und häßlichem Stoffe,
Ersehnt und doch niemals
Mit Bestimmtheit gewußt,
Das große, vielfarbige Glänzen aufzuckt,
Dem Meister zur Freude
Und jedem Beschauer.

    Aber was denn zuvor war Das große Glänzen?
    Ein Körnchen Sandes, nichts sonst, ein winziges Teilchen stumpfer, unscheinbarer Masse.

    Darum überhebe sich nicht
    Das Glänzende, sondern bleibe bewußt
Seines Ursprungs: daß nämlich vordem
Ein Körnchen Sandes es war,
Nichts sonst, und daß keiner
Vermuten konnte das Glänzen, das später
Herausbrach aus ihm, und keiner die Gnade,
Die jetzt aus ihm leuchtet.

    Und darum, zum Zweiten, bleibe der Sandkörnchen keines
Ganz ohne Hoffnung. Denn ihm gerade vielleicht
Ist es bestimmt, daß das Große
Aus ihm einst herausglänzt.

    Und darum, zum Dritten, nicht stolz sei
Der Meister. Er haucht und haucht wieder
In den Stoff durch die Pfeife.
Doch nicht bei ihm steht es,
Ob die Form ihm gerät.
    Diesem, er weiß nicht warum, verderben
    Höhlen und Blasen sein Glas, und vergebens Ist seine Mühe. Dem aber
    Leuchtet, er weiß nicht warum, die Gnade, es wölbt sich
Schön ihm, wie er es wünschte, die Kugel,
Sein Glas ist
Edel und schimmernd des Lichtes.

    Gegen Ende August, Josef war auf einige Tage nach Campanien gegangen, um der drückenden Hitze der Stadt zu entfliehen, teilte man ihm mit, der Bau der Josef-Synagoge sei nun so weit gefördert, daß die aus Jerusalem geretteten Thorarollen dort niedergelegt werden könnten.
      Josef fuhr zurück nach Rom. Zusammen mit Doktor Licin besichtigte er das Bethaus. Der hohe, weiße Würfel des Baus paßte sich den Häusern ringsum an und wirkte dennoch fremdartig; während nämlich die Häuser ringsum sich dicht aneinanderpreßten, denn das Terrain war hier sehr teuer, stand der Rohbau der Synagoge hochmütig allein inmitten freien Raumes, schräg aus der Straßenzeile herausfallend; denn er war so gerichtet, daß die Beter das Antlitz nach Osten kehrten, nach Jerusalem.
      Architekt Zeno führte die Herren. Das unterirdische Gewölbe, an dessen Ostwand der große Schrein stand, der für die siebzig Rollen bestimmt war, lag kühl, durch viele Luken fiel Licht ein, der Raum sah ruhevoll aus und doch voll Geheimnis.
      Drei Tage später, in feierlichem Zug, brachten Josef und die Vornehmsten der römischen Juden die Thorarollen an den Ort ihrer neuen Verwahrung. Die Rollen waren umkleidet mit köstlich bestickten Geweben, geschmückt mit goldenen Kronen, aber darunter waren sie zerfetzt, blutbeschmiert, zertrampelt von den Stiefeln der Soldaten, die damals die Bethäuser des brennenden Jerusalem geplündert hatten. Josef rief sich zurück, wie er sie aus der Synagoge der alexandrinischen Pilger gerettet hatte. Er sah vor sich, wie er durch die Stadt gezogen war, sein goldenes Schreibzeug im Gürtel, in jedem Arm eine Schriftrolle, gefolgt von den gegeißelten, tau melnden Juden, denen er statt des Kreuzbalkens, an dem sie hatten sterben sollen, die Schriftrollen zum Tragen gegeben hatte. Er sah und hörte im Geist die Soldaten, die seine sonderbare Prozession verlachten. Jetzt lachte niemand über den Zug der würdigen Herren, die die Rollen in das von ihm erbaute Haus trugen; vielmehr schritten kaiserliche Beamte der Prozession voran und beschlossen sie, Soldaten der Leibgarde in ihren Paradeuniformen gaben das Schutz- und Ehrengeleit, und die Passanten, an denen der Zug vorbeikam, grüßten, neigten sich, verehrten die fremde Gottheit. Trotzdem hatte Josef ein unbehagliches Gefühl der Schutzlosigkeit und war froh, als die Rollen in dem kühlen, zwielichtigen Raum geborgen waren, in dem sie fortan verwahrt werden sollten.
      Josef selber, als die andern gegangen waren, verweilte noch in dem Gewölbe, allein mit den Rollen. Er saß vor ihrem großen, schlichten Schrein, vor dem weißen, mit blassen Goldbuchstaben bestickten Vorhang, der vag an die Vorhänge des Tempels von Jerusalem erinnerte. Er wußte, daß eines der geschändeten Pergamente zwei Ausschnitte hatte in der Form von Menschenfüßen: ein Soldat hatte sich Einlagesohlen für seine Stiefel aus der Rolle herausgeschnitten, so daß in ihr die Stelle verstümmelt war: »Drücke den Fremden nicht in deinem Lande und liege ihm nicht hart an; denn ein Fremder bist du

Weitere Kostenlose Bücher