Die Söhne.
bestimmt, den Todestag des Kaisers Nero. Doch schon sein Kabinett hatte den Plan erörtert, den Stichtag noch weiter zurückzuverlegen, etwa bis zum 13. Oktober 807, dem Todestag des Kaisers Claudius. Die Werte, die man so konfiszieren könnte, waren beträchtlich. Frage war nur, ob sich die neue Dynastie durch solche Enteignungen nicht zu viele politische Feinde schaffte. Regin nun wollte zum Stichtag ein noch viel früheres Datum bestimmen, den 24. Januar 794, den Todestag des Kaisers Gaius. An Hand von vielen mit Schlauheit und Umsicht zusammengestellten Tabellen bemühte er sich, dem Domitian nachzuweisen, daß der politische Schaden geringfügig sei, vergleiche man ihn mit dem wirtschaftlichen Gewinn.
Domitian hörte zu, die aufgeworfene Oberlippe scharf auf
die Unterlippe gepreßt, wodurch sein Gesicht den Ausdruck gespannten Lauschens annahm. Er mochte den Claudius Regin nicht leiden, aber zweifellos gab es in wirtschaftlichen Fragen keinen bessern Sachverständigen. Domitian, nach etwa zehn Minuten, entschloß sich, auch in dieser Angelegenheit seinem Rat zu folgen.
Einmal entschlossen, hörte er dem Vortrag nun mehr mit halbem Ohr zu, ließ seine Gedanken abgleiten. Ekelhaft eigentlich, daß er mit Leuten wie diesem Regin soviel Zeit vertun muß. Aber man braucht sie fürs Regieren, sein Vater hat schon gewußt, warum er sich gerade mit diesem Halbjuden zusammentat, und er, Domitian, hat jetzt alle Ursache, sich einen genauen Plan zurechtzulegen für die Zeit, wenn er erst Kaiser sein wird. Die Berichte über das Befinden seines Bruders, die er auf dem Umweg über Marull erhält, beweisen, daß es höchste Zeit ist, sich vorzubereiten.
Er lächelt, wenn er daran denkt, daß er noch vor kaum einem halben Jahr ein sorgsames Projekt ausgearbeitet hat, aus der Hauptstadt, in der ihn der Argwohn des Titus festhält, nach Gallien zu fliehen oder nach Deutschland, um sich von den dortigen Armeekorps als Kaiser ausrufen zu lassen. Jetzt darf er solche phantastischen Projekte endgültig verabschieden, seine Aussicht auf den Thron ist gesichert. Erstaunlich übrigens, daß er, seitdem er diese Sicherheit hat, an Details, die ihn früher langweilten, ernsthaft Anteil nimmt. Mit der zunehmenden Gewißheit der Herrschaft wächst in ihm die vom Vater ererbte Lust am Organisieren, und wenn er sich von Annius Bassus übers Militärische, von Marull übers Politische, ja selbst wenn er sich von dem widerwärtigen Regin übers Wirtschaftliche vortragen läßt, diskutiert er leidenschaftlich jede Einzelheit ihrer komplizierten Darlegungen.
Er braucht, um folgerichtig denken zu können, Ruhe und Sammlung. Oft schließt er sich stundenlang ein; er weiß, seine Gegner behaupten, er verbringe diese Zeit damit, Fliegen aufzuspießen. Er läßt sie schwatzen. Mögen sie über seine Herrschsucht, über seine skrupellose Unsittlichkeit die tollsten Gerüchte verbreiten. Es ist ihm bekannt, daß man in den Kreisen des republikanischen Adels einen Brief von ihm her umzeigt, in dem er, damals fünfzehnjährig und von seinem Vater knappgehalten, dem Senator Palfurius Sura anbietet, die Nacht mit ihm zu verbringen, und dafür fünfhundert Sesterzien von ihm verlangt, eine beschämend niedrige Summe. Palfurius Sura ist ein Idiot, daß er sich dieses Schreiben hat stehlen lassen, aber noch idiotischer sind die Leute, die sich daran ergötzen, es zu lesen. Es ist gleichgültig, ob der Brief echt ist oder gefälscht: er wird mit jedem Tag gefälschter, er wird mit jedem schwächeren Atemzug des Titus gefälschter, und der Tag ist nicht fern, da er vollends falsch sein wird.
Hundertdreiundvierzig Millionen, erklärt Claudius Regin, kann man scheffeln, wenn man, wie er will, den Stichtag auf den 24. Januar 794 zurückverlegt. Titus würde wahrscheinlich auf diese Summe zugunsten seiner Popularität verzichten. Er selber denkt nicht daran. Hundertdreiundvierzig Millionen sind viel Geld. Solange er genötigt war, Geld von seinem Vater und seinem Bruder zu verlangen, hat er über eine solche Ziffer die Achseln gezuckt. Nun er selber damit rechnen soll, verändert sich ihm ihr Aussehen. Er wird, wenn er erst an der Macht ist, viel Geld brauchen. Er wird in großem Stil bauen. Für Lucia. Lucia ist der einzige Mensch, an dessen Meinung ihm liegt. Kaufen zwar läßt sie sich nicht. Nicht einmal ihr Lachen kann man kaufen. Sie lacht, wenn sie will.
»Der Kreis der betroffenen Personen«, sagt soeben Regin, »ist gar nicht so
Weitere Kostenlose Bücher