Die Söhne.
groß, wie man denken sollte. Es sind da ...« Domitian zwingt sich, nicht an den Tänzer Paris zu denken und nicht an die fünf oder sechs anderen Männer, von denen Rom vermutet, daß Lucia mit ihnen schlafe. Aber ganz vertreiben kann er die Vorstellung nicht. Dieser Paris wird überschätzt, geht es ihm durch den Sinn. Das kommt, weil so wenig Menschen wissen, was gut und was schlecht ist. Auch dieser Jude Josephus wird überschätzt. Sein Buch ist nicht übel, wahrscheinlich ist es sogar gut, aber es ist Narrheit, was alles sie davon hermachen. Ich mag ihn nicht. Er ist noch unsympathischer als Regin. Diese östlichen Menschen sind falsch. Man kann sie nicht fassen, sie haben etwas Öliges, und dieser Josephus ist noch gefährlicher als die Jüdin, an der Titus kaputtgegangen ist.
Er setzte sich gerade, sehr aufrecht, die Arme eckig nach hinten. Ja, dachte er, Titus ist kaputt. Es ist ein Segen für ihn, wenn er bald ein Gott wird. Man darf diesen Prozeß nicht verzögern. Marull muß einmal wieder mit Valens sprechen.
»Man müßte«, sagte gerade Regin, »anläßlich der neuen Vermessung für die Provinzen Ägypten und Syrien neue Agrarsteuern anlegen; es ist höchste Zeit.«
Es war höchste Zeit für mich, dachte Domitian, endlich mit Titus abzurechnen. Sonst hätte er sich unter die Götter verdrückt, ohne daß unsere Rechnung beglichen wäre. Länger als fünf Jahre hätte er es wohl auch ohne mich nicht gemacht; aber daß er durch mich fünf Jahre früher fort muß, ist ein guter Coup. Nur: er weiß nicht, daß ich es bin, durch den er fort muß, und merken lassen darf ich es ihn auch nicht. Sonst packt er noch zu. Nein, die Sache mit Julia war schon die einzige Lösung. Die Heirat mit ihr erst abzulehnen und sie ohne Heirat zu beschlafen, das war eine gute Idee, und es muß ihn treffen. Vor allem, weil sie es nicht gewollt hat, und wenn ich nicht so zäh und kräftig wäre, hätte ich’s nicht durchgesetzt. Dabei ist sie hübsch, weiß, fleischig und tut einem wohl. Ich gäbe ein paar Millionen darum, wenn ich wüßte, wie er darüber denkt, mein Herr Bruder. Bestimmt hätte er sie nicht diesem faden Sabin zur Frau gegeben, wenn er nichts gemerkt hätte. Und daß er so eisern schweigt, beweist nur, wie sehr ihm die Geschichte an die Nieren geht.
Daß des Titus Sache mit Lucia ihm selber nach Ansicht der Römer ganz anders an die Nieren gehen mußte, wollte er nicht wissen, und er wußte es nicht.
Ich werde viele Reden zu hören bekommen, dachte er weiter, was er für ein guter Herrscher war und was ich für ein guter Herrscher bin. Sogar dieser Josephus hat mich in seinem Buch vorsichtshalber ein paarmal gerühmt. Das ist natürlich pure Falschheit und Speichelleckerei. Er ist ein Arschkriecher, dieser Josephus, und es ist unwürdig, daß man sich überhaupt damit beschäftigt, was ein Jud über einen schreibt. Aber angenehmer ist es doch, daß er nicht schlecht über mich geschrieben hat. Wenn Titus erst ein Gott ist, dann bleibt von ihm nichts als dieser großmäulige, etwas schäbige Triumphbogen und das, was dieser Jud über ihn geschrieben hat. Ich könnte ihm eigentlich einen etwas anständigeren Triumphbogen hinstellen, wenn er erst ein Gott ist. Und so einen Kerl wie den Juden sollte man nicht reizen, daß er Schlechtes über einen schreibt. Aber ich mag ihn nicht. Ich begreife nicht, was Lucia an ihm findet.
Sie liebt Bücher. Die Memoiren ihres Vaters sind gut, ein wenig trocken, aber sehr klar. Ich glaube, im ganzen ist die Prosa unserer Epoche besser als ihre Verse. Mit meinen eigenen Versen ist auch nicht viel Staat zu machen. Mein Versroman über die Geschichte des Capitols ist eine Jugendeselei. Aber meine Prosa ist nicht übel. Jedenfalls habe ich, als ich den Essay »Zum Lob der Glatzköpfe« schrieb, ungeheuern Spaß daran gehabt. Und sicher ist es besser, ich selber lache über die Dünnheit meiner Haare als die andern.
Aber froh bin ich, daß ich es nicht mehr nötig habe, Verse zu machen. Wer selber verhindert ist, Taten zu tun, mag sich in Verse flüchten. Literatur ist ein guter Zeitvertreib für den, der sie schreibt, immer, und manchmal auch für den, der sie liest. Wenn ich erst soweit bin, werde ich die Literatur groß unterstützen. Das kostet nicht viel. Eine literarische Konkurrenz, auch wenn ich sie erstklassig aufmache, kostet noch nicht den hundertsten Teil eines anständigen Wagenrennens. Sie bringt natürlich auch weniger Popularität.
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