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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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aus Wahrheit und Lüge war stärker als die Wirklichkeit. Schon verblaßte vor diesem verfluchten, verlogenen, grotesken, zauberhaften Bild der klägliche Mensch, den er so gut gekannt, und verwandelte sich selbst für ihn in den fernen römischen Kaiser.
      Zerschlagen kehrte er in sein Haus zurück, froh, als an Stelle des schweigenden, weihraucherfüllten Tempels der Lärm, die Menschen und Gerüche seines Stadtteils wieder um ihn waren.

    In dem Bezirk »Freibad« erregte es großes Aufsehen, als eines Tages zwei kaiserliche Kuriere erschienen, den glückkündenden Lorbeer auf ihren Botenstäben. Sie begaben sich feierlich vor das Haus Josefs, traten ein, und während vor dem Haus eine riesige Menge wartete, überbrachten sie ihm in altertümlicher Form die Einladung des Kaisers, gegenwärtig zu sein, am vierten Tag von heut an, in der fünften Stunde nach Sonnenaufgang, wenn der Kaiser der Stadt den Triumphbogen übergeben wird, den er zu Ehren des Gottes Titus errichtet hat.
      Josef erschrak. Aber er neigte sich sogleich und erwiderte, wie es der Brauch verlangte: »Ich höre, danke und gehorche.«
      Er sprach mit niemandem über dieses Ereignis, und niemand sprach darüber mit ihm. Aber er war sicher, daß alle darum wußten. Die Art, wie man ihm die Einladung überbracht hatte, bewies, daß dem Palatin daran lag, die ganze Stadt darum wissen zu lassen. Offenbar erhoffte man sich Spaß von seiner Teilnahme an der Zeremonie.
      Mit Ingrimm nämlich hatten die Juden das neue Monument wachsen sehen, durch das Domitian das alte, schäbige Ehrenmal in der Großen Rennbahn zu ersetzen gedachte. Der Triumphbogen wurde auf der Höhe des Heiligen Wegs errichtet, dem Capitol gegenüber, im Mittelpunkt der Stadt, und war dazu bestimmt, das Gedächtnis der jüdischen Niederlage durch Titus für alle Zeiten festzuhalten. Schon während der Monate, da man an dem Bogen baute, hatten die Juden die Heilige Straße, die Hauptverkehrsader über das Forum, vermieden und lieber weite Umwege gemacht, nur um nicht dieses Monument ihrer Schande passieren zu müssen. In drei Tagen also soll er, Josef, im Gefolge der Herren Roms den Bogen durchschreiten und sich neigen vor dem Gott und Sieger Titus. Domitian hat sich lange nicht um ihn gekümmert: bei diesem Anlaß hat er geruht, sich seiner zu erinnern, und nun freut er sich, und mit ihm die Stadt, auf das Schauspiel, wie Josef seinen Nacken unter das Joch beugen wird.
      Wenn es sich um eine seiner bösartig spaßhaften Launen handelte, pflegte der Kaiser alles gut vorzubereiten. Bald nach den Kurieren, am gleichen Tag, erschien bei Josef der Leibarzt Doktor Valens. Man sprach von dem und jenem, und gelegentlich streute Valens die Bemerkung ein, wie sehr er sich freue, Josef bei so guter Gesundheit anzutreffen; auch der Majestät werde es angenehm sein, sich bei der Feier anläßlich der Enthüllung des Triumphbogens persönlich von Josefs Wohlbefinden zu überzeugen. Es war nicht schwer, die Warnung herauszuhören.
      Josef hätte auch ohne den Besuch des Arztes kaum den Ausweg benützt, aus Gesundheitsrücksichten fernzubleiben. Ja, er hätte, selbst wenn er todkrank daniedergelegen wäre, seine letzte Kraft aufgeboten, um sich an dem Zug zu beteiligen. Noch bevor die Kuriere zu Ende gesprochen hatten, war ihm klar gewesen, daß er unter allen Umständen der Aufforderung folgen und den Bogen im Zug der andern geneigten Hauptes durchschreiten müsse. Weigerte er sich, trotzte er, so hätte das nur jenen falschen Patriotismus gefördert, der noch immer nicht begriff, daß die politische Sendung Judäas zu Ende war, und niemand hätte von einer solchen Weigerung Gewinn gehabt als die Nachfahren der »Rächer Israels«, jene Unsinnigen, die sich seit dem Regierungsantritt Domitians von neuem rührten. Davon abgesehen, zerstörte Josef, wenn er trotzte oder auch nur auswich, seine eigene Position. Noch hat er, der große Schriftsteller, Geltung bei Hof und in der Welt. Aber Domitian liebt ihn nicht, viele lauern darauf, den unbequemen, talentierten Konkurrenten loszuwerden, und Josef wäre ein Narr, wenn er ihnen selber Vorschub leistete. Sein Tun ist klar vorgeschrieben. Er wird am vierten Tag von heut an, wie der Kaiser es wünscht, am Festzug teilnehmen.
      Er arbeitete wenig an diesem Tag, und er schlief nicht gut in dieser Nacht.
      War ihm am ersten Tag die Aufgabe, die sein Entschluß ihm aufbürdete, schwer erschienen, so fand er sie am zweiten unerträglich.

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