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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Valens Rufinus Fuscus Claudius Rutilianus. Jeder dieser Namen hob seine Beziehungen zu dem edelsten Blut des Reichs hervor. Leider aber entsprach das Vermögen des Senators Valer nicht diesem hohen Adel. Ja, es war schiere Höflichkeit, wenn man ihn noch als Senator bezeichnete; denn dieser Tullius Valer besaß nicht einmal mehr die Million Sesterzien, die für Mitglieder des Ersten Adels unterste Vermögensgrenze war. Kaiser Vespasian hatte ihn deshalb kraft seines Zensoramtes aus den Listen des Senats gestrichen. Er hatte ihm aber, die Verabschiedung mildernd, in dem Haus, das er selber früher bewohnt, auf Lebenszeit freie Station zugesprochen. Dort also hatte jetzt der alte Valer das Obergeschoß inne, während dem Josef die beiden unteren Stockwerke angewiesen waren. Der zensurierte Senator trug sein Schicksal mit Würde. Die neuen Räume boten ihm nicht einmal Platz, die Wachsbüsten seiner hohen Ahnen alle unterzubringen; er mußte einen Teil beim Spediteur unterstellen. Aber er klagte nicht. Zurückgezogen lebte er mit seiner Tochter, der zweiundzwanzigjährigen, strengen, weißgesichtigen Tullia, in dem verwinkelten Haus des sechsten Bezirks, zwischen Reliquien, vermotteten Prunkkleidern, verstaubten Liktorenbündeln, verwelkten Triumphatorenkränzen seiner Urväter. Er widmete sich nur mehr literarischer Tätigkeit, schrieb an seinem großen Versroman über die Argonauten, mit denen er natürlich auch verwandt war. Aber er verzieh dem Parvenü Vespasian nicht die Schmach der Ausstoßung; heimlich brütete er über einem kühnen, rebellischen Epos, bestimmt, die Taten seines Ururvetters Brutus zu feiern, strotzend von aufrührerischen, republikanischen Sentenzen. Trotz aller Heimlichkeit wußte übrigens ganz Rom von diesem Unternehmen, und lächelnd kolportierte man eine Äußerung Vespasians: gerade darum habe er dem guten Valer freie Wohnung gewährt, daß der in Ruhe seine Hymnen auf die Republik schreiben könne; denn habe einer erst einmal republikanische Verse dieses feierlichen alten Esels gelesen, dann werde er in Zukunft, sowie er nur das Wort Republik höre, gähnen.
      Josef begrüßte Dorions Gäste. Tullia saß weiß und zugesperrt da, knapp dankend. Auch sein Schwiegervater Fabull, der Maler, der Hochmütige, blieb einsilbig. Um so lärmender begrüßte ihn Dorions intimster Freund, der Oberst Annius Bassus. Doch seine laute Höflichkeit täuschte Josef nicht darüber hinweg, daß seine Dazwischenkunft Dorions Gesellschaft gestört hatte. Es war offenkundig, daß man sich vor Josefs Eintritt vertraut und gut unterhalten hatte; jetzt aber sprach man schleppend über Gleichgültiges. Josef bemühte sich, amüsant zu sein. Die Gäste dankten es ihm nicht, entfernten sich bald.
      Dorion blieb nicht ungern mit Josef allein. Immer, selbst in den Stunden der Vermischung, war er ihr aufregend rätselhaft geblieben, immer war sie neugierig, was dieser Seltsame jetzt wieder anstellen werde. Hätte etwa ein anderer Mann nach einem so folgenschweren Ereignis wie dem Thronwechsel so lange geschwiegen? Gab es einen zweiten, der, vertraut mit seiner Frau, nicht das Bedürfnis verspürt hätte, sich in solchem Falle mit ihr auszusprechen?
      Mit schlaksiger Bewegung drehte sie ihm ihren zarten, dünnen Leib zu, schaute ihm voll ins Gesicht. Es sei schade, meinte sie, daß er nicht früher gekommen sei. Der alte Valer habe nämlich nicht aus den »Argonauten« vorgelesen, sondern aus dem »Brutus«; es sei erstaunlich, welch kühne Sprache der Mann sich erlaube. »Soweit ich seine Verse kenne«, erwiderte lächelnd Josef, »sind sie so schweißig wie er selber.« Der alte Valer trug nämlich stets nur die feierliche, altmodische Toga, und zwar auf dem bloßen Leib, wie es der Brauch vor dreihundert Jahren verlangt hatte; das war Hausgesetz bei den Valeriern, weil sie eine so alte Familie waren.
      Dorion stützte sich halb auf, so daß die weiten Ärmel zurückfielen und ihre langen, braunen Arme freilagen. Es machte ihr Spaß, wenn Josef sich über ihre Freunde mokierte. Aber diesmal ging sie nicht auf seine Worte ein. Was denn mit Phineas los sei, fragte sie. Die letzten Wochen über sei der kleine Paulus arg vernachlässigt worden. Dem Josef kam es gelegen, daß sie die Rede auf Phineas brachte. Er war entschlossen, Phineas von sich abzuschieben, aber das sollte langsam geschehen, ohne große Worte und Gesten, kühl, höflich, nobel, ironisch. Der Mann hatte gut für ihn gearbeitet, keine Frage.

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