Die Söhne.
meine Synagoge auf der Velia niedergerissen werden wird, wenn der Kaiser dort baut. Ich höre nun von dem Glasfabrikanten Alexas, daß Sie nach wie vor beabsichtigen, für die siebzig Thorarollen, die Sie aus Jerusalem gerettet haben, eine eigene Synagoge zu stiften. Natürlich beabsichtigen auch wir, an Stelle der Veliasynagoge auf dem linken Tiberufer ein neues Haus zu errichten. Hören Sie meinen Vorschlag. Wollen wir gemeinsam bauen? Es wäre schön, wenn das neue Haus eine Josef-Synagoge würde.«
Josef horchte groß auf. Wie, die Juden des linken Tiberufers, die vornehmsten der Stadt, wollten wirklich ihre neue Synagoge unter sein Protektorat stellen? Man will sich ernstlich mit ihm aussöhnen? Der Doktor Licin freilich ist ein gute: Mann, er hat eigentlich immer auf einer Front mit ihm gekämpft, er schreibt selber griechische Tragödien, die ihre Stoffe der Bibel entnehmen, und die orthodoxen Doktoren verzeihen ihm dieses gewagte Unterfangen höchstens deshalb, weil er der Schwiegersohn des Cajus Barzaarone ist. Es wäre natürlich großartig, wenn er, Josef, Protektor und Präsident der vornehmsten römischen Synagoge würde. Aber keine Übereilung jetzt. Kann er, wenn er darauf eingeht, sich der Forderung entziehen, seinen Sohn Paulus zu beschneiden und zum Juden zu machen? Und davon abgesehen, woher soll er die Mittel nehmen, einen würdigen Beitrag zum Bau der Synagoge zu stiften? Der Ruhm eines Schriftstellers münzt sich nicht in Geld um. »Ich darf mir diese Sache ein paar Wochen überlegen«, sagte er zögernd. »Aber was Sie mir anbieten«, fügte er rasch hinzu, und Stimme und Gesicht nahmen jenes Strahlen an, das ihm von jeher die Herzen gewann, »ist mir eine große innere Freude. Ich danke Ihnen, Doktor Licin«, und er streckte ihm die Hand hin.
Er war glücklich in diesen Tagen nach der Vollendung seines Werkes. Vergessen hatte er, daß er noch seine Angelegenheit mit dem Sekretär Phineas zu bereinigen hatte, vergessen, daß Frau und Sohn sich ihm entfremdeten. Denn alles andere ging, wie er wollte. Die Juden söhnten sich mit ihm aus, und im Palatin zeigte man ihm ein strahlendes Gesicht. Man hatte nämlich seine Audienz auf einen Donnerstag gelegt, das war der Tag, der den Freunden und Vertrauten des Kaisers vorbehalten blieb, und Titus hatte der offiziellen Einladung eine eigenhändige Nachschrift beigefügt, er freue sich, den Josef endlich einmal wieder ausführlich zu sprechen.
Und jetzt, stark im Gefühl seines Glückes, war Josef genügend gerüstet und in der rechten Laune, jene Auseinandersetzung mit Dorion herbeizuführen, die er so lange hinausgezögert.
Er durchschritt den verwinkelten Korridor, der hinüber in ihre Räume führte. Er sehnte sich nach ihr, nach ihrem langen Kopf mit den meerfarbenen Augen, nach ihrem dünnen Körper, nach der hohen Kinderstimme, mit der sie ihre zärtlichen, bösartigen Sätze vorbrachte. Er hatte sich häuslich, doch elegant angezogen. Sein reiches Haar fiel in schwarzen, halblangen Locken, die schmalen, heftigen Lippen waren sorgfältig ausrasiert, der Bart zackte in starrem, strengem Dreieck herunter. Er ging beschwingt wie in seiner besten Jugend; er war voll von männlicher Zärtlichkeit für Dorion und freute sich darauf, ihr seine guten Nachrichten zu bringen.
Er fand sie nicht allein. Ein paar Herren und eine Dame saßen um sie herum, eine Reihe leerer Sessel war da, sie hatte offenbar eine größere Gesellschaft um sich gehabt. Sie lag auf dem Ruhebett in einem Gewand aus hauchdünnem koischem Flor, ihr geliebter, schwärzlichgrüner Kater Chronos, der dem Josef verhaßt war, ihr zur Seite.
Ein Aufleuchten ging über ihr gelbbraunes Gesicht, ein bißchen Empörung, ein bißchen Triumph, als Josef eintrat. Sie streckte ihm die Hand hin. »Wie schade, daß du nicht früher gekommen bist, mein Josef«, sagte sie. »Senator Valer hat uns aus seinen ›Argonauten‹ vorgelesen.« – »Ja, das ist schade«, sagte ein wenig trocken Josef und wandte sich dem Senator zu.
Der alte Valer saß steif und würdig da. Das Reich zählte jetzt nur mehr zweiunddreißig Familien von reinem, altem Adel, und wenn eine dieser Familien ihren Ursprung unbestritten bis zu dem Trojaner Äneas zurückführen konnte, dann war es die seine. Valer pflegte auf Inschriften und Dokumenten mit seinem vollen Namen zu zeichnen: Q. Tullius Valerius Senecio Roscius Murena Coelius Sex. Julius Frontinus Silius C. Pius Augustanus L. Proculus
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