Die Söhne.
der monatelang, jahrelang keine Zeit für sie hatte. Aber sowie er da ist, sowie er sie auf und ab schaut mit seinen heftigen, hemmungslosen Augen, nach ihr greift mit seinen heftigen, hemmungslosen Händen, dann liebt sie ihn, dann gehört sie ihm.
»Ich weiß, mein Hermes«, sagt sie, immer lächelnd, mit ihren dünnen, beweglichen Fingern seinen kunstvoll geknüpften Bart aufdröselnd, »ich weiß, du brauchst nur deinen unsichtbaren Gott.«
Josef war nicht gewillt, mit ihr darüber zu debattieren. Er nahm sie fester, beugte sich tiefer zu ihr herunter, sprach mit seiner schönen, gewinnenden Stimme auf sie ein. Er habe sie arg vernachlässigt in diesen letzten Wochen, es habe ihn große Überwindung gekostet, aber er habe ganz für sie dasein wollen, ungeteilt. Das sei nicht möglich gewesen, solange er nicht eine bestimmte Arbeit vollendet hatte. Jetzt sei es soweit. Es sei gute Arbeit geworden. Am Donnerstag werde er das Buch dem Kaiser überreichen. Sehr bald darauf werde er öffentlich daraus vorlesen. Vorher aber, und noch bevor er es dem Kaiser gibt, wolle er es ihr geben. Das erste Exemplar müsse sie haben.
Dorion erwidert lange nichts. Sie fühlt sich wohl, den Kopf in seinem Schoß, die Hand in seinem Bart. Dann, unvermutet, mit ihrer hohen Kinderstimme, lächelnd, fragt sie: »Sage, mein Josef, wenn jetzt unser Titus Kaiser ist, werden wir dann endlich zu Geld kommen?«
Josef ändert seine Haltung nicht. Er ist vornübergeneigt, die eine Hand hält er unter ihrem Kopf. Geld, denkt er, was heißt Geld. Er findet, daß man mit seinen rund sechzigtausend Sesterzien Jahreseinnahmen ganz leidlich auskommt. Dorion ist offenbar nicht dieser Meinung. »Geld?« fragt er zurück, immer lächelnd. »Was brauchst du? Schmuck? Neues Perso nal? Mußt du sehr sparen? Sag mir, was du brauchst.« – »Ich?« meint faul und träumerisch Dorion und streckt sich behaglich. »Ich brauche nichts, außer vielleicht, daß man sich ein wenig um mich kümmert. Aber wir, ich meine, du und ich und der Junge, wir brauchen eine Villa, ein Landhaus, wenn wir schon nicht in der Stadt neu bauen können.« Und mit einem Ruck richtet sie sich hoch, sitzt da, kindlich, ein wenig steif, den Kater im Schoß.
Darauf war Josef nicht vorbereitet. Wohl wußte er, daß ihr das dunkle Haus in Rom niemals gefallen hat. Es war ehrenvoll, vom Kaiser behaust zu werden in dem Hause, das er selber einmal bewohnt hat; aber es war nicht zu leugnen, dieses Haus war altmodisch, verwinkelt, dunkel, muffig. Seit dem ersten großen Erfolg des Josef hat Dorion sich gewünscht, in Rom im eigenen Haus zu wohnen. Aber was man hätte bauen können, das wäre bescheiden gewesen, kleinbürgerlich, nichts für den verwöhnten Geschmack der Tochter des Hofmalers Fabull. Josef hatte wirklich zu wenig Zeit und Gedanken an Dorion gewandt; sonst hätte er voraussehen müssen, daß die Änderung der Situation ihre Träume neu werde aufleben lassen.
Sie sprach weiter. Sie hatte sich schon umgetan um das Wie und Wo. Wenn es um die Befriedigung ihrer Launen ging, konnte die Lässige sehr betriebsam sein. Ihr Vater war befreundet mit dem Baumeister Grovius, dem Lieblingsarchitekten des Prinzen Domitian. Der Prinz wird auf der Domäne bei Albanum im größten Stil bauen. Architekt Grovius, unterstützt von des Prinzen Freund, unserm Annius, wird erwirken, daß man dort Terrain käuflich oder mittels langen Pachtvertrages billig erhält. Er hat schon, unverbindlich natürlich, ein Haus für sie entworfen. Nicht teuer, bescheiden, dem Vermögen eines Schriftstellers angepaßt, aber hell und luftig. Ein Herrenhaus, zwei Dienerschaftsgebäude, das ist alles. Ihr Vater Fabuli hat seit langem eine Idee für ein Fresko, das organisch durch die Wandelgänge einer Villa laufen soll. Er hätte es oftmals ausführen können, viele haben ihn darum gebeten; aber er hat ihr zugesagt, es für sie aufzusparen. Jetzt sei man also soweit. Sie schaute Josef strahlend an.
Er hörte von diesen Plänen mit Unbehagen. Ihn störte nicht das alte Haus, nicht die Dunkelheit seines Arbeitsraums. Man wird »billig« bauen. Wie stellt sich Dorion das vor? Unter dreihunderttausend wird er nie wegkommen. Er wird Geld aufnehmen müssen; die Zinsen sind hoch. Und was alles wird nötig sein, wenn erst Dorion ihre Villa bezieht. Neue Wagen, neue Dienerschaft. Diese modernen, hellen Häuser sind nicht denkbar ohne Statuen und Fresken. »Du sollst dir kein Bild machen«, heißt
Weitere Kostenlose Bücher