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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Aber er hatte sich nicht an das Werk hingegeben, es war äußerliche Arbeit geblieben. Äußerlich sollte denn auch der Lohn sein, reichlich, aber ohne Herzensdank.
      Er habe den Phineas in diesen letzten Wochen viel beschäftigen müssen, sagte er. Doch das sei jetzt zu Ende. Phineas habe im übrigen gut gearbeitet, er wolle ihm eine Gratifikation geben. Was sie dazu meine, wenn er ihm die Garderobe ergänze und erneuere. Die Kleider des Phineas seien schäbig geworden. Sich griechisch zu tragen erfordere eben Geld. Ob sie sich dieser Sache annehmen wolle. Sie verstehe das besser.
      Dorion schaut ihm ins Gesicht, den Mund halboffen, lächelnd. Schön, erwidert sie, sie werde das besorgen. Es sei gut, daß Phineas wieder für den Jungen Zeit habe. Hätte sich nicht ab und zu Oberst Annius um die Erziehung des Paulus gekümmert, dann hätte kein Mensch sich seiner angenommen.
      »Annius«, sagte Josef wegwerfend, »Annius Bassus«, und er machte eine Bewegung mit der Hand, die den Mann auswischte. Alles an diesem Offizier verdroß ihn, sein Lachen, sein lautes, offenes, herzliches Gehabe. Annius Bassus war Unterbefehlshaber im jüdischen Krieg gewesen und hatte sich mehrmals ausgezeichnet. Josef aber hatte ihm eine gewisse antisemitische Äußerung nicht vergessen und in seinem Buch seine Leistung totgeschwiegen. Allein der Oberst schien ärgerlicherweise dieses feindselige Schweigen nicht zur Kenntnis zu nehmen, er behandelte vielmehr den Josef nach wie vor mit der gleichen, stürmischen Freundschaftlichkeit, erzählte ihm pikante Anekdoten über Kriegskameraden, haute ihn auf die Schulter. Den Josef wurmte das, und zwiefach kränkte ihn, daß Dorion sich in ihre Freundschaft mit dem Offizier nicht einreden ließ.
      Auch heute wies sie die verächtliche Geste des Josef zurück. Es sei gut, meinte sie, daß nicht er allein über die Qualitäten des Annius zu befinden habe. Der alte Kaiser zum Beispiel habe seine Meinung offenbar nicht geteilt. Sonst hätte er schwerlich den Annius zum Obersten in der Garde gemacht und ihm die heikle Aufgabe anvertraut, des Prinzen Domitian Hofmarschall und Adjutant zu sein.
      Das war richtig. Annius hatte sich sogar in dieser schwierigen Stellung gut bewährt, er hatte es zuwege gebracht, sich dem jungen Prinzen anzufreunden, ohne das Vertrauen des Alten zu verlieren.
      Der Oberst werde es unter Titus nicht leicht haben, meinte trocken, ein wenig hämisch Josef. Ihm, Josef, sei das übrigens gleichgültig. Für ihn sei der Mann erledigt. Die große Gelegenheit des Annius sei der Krieg gewesen, und die habe er verpaßt. Er habe sich vor Jerusalem nicht so gehalten, daß seine Taten auch nur der Erwähnung wert gewesen seien.
      Dorion lächelte, rückte näher an ihn heran. »Natürlich geht es nur dich an«, meinte sie, »was du der Erwähnung für wert hältst, was nicht. Ich weiß, daß ein Künstler nicht arbeiten kann, ohne von sich überzeugt zu sein. Auch mein Vater könnte es nicht. Aber bist du nicht vielleicht ein wenig sehr stolz, mein Josef?« Er hörte ihre Sticheleien. Sie lag aufgestützt. Er sah ihre schräge, hohe Stirn, ihr leichtes, reines Profil, die Worte kamen zierlich, stachelig aus ihrem großen, frechen Mund und taten ihm nicht weh. Er liebte sie sehr. »Bist du ganz sicher«, fuhr sie fort, »daß dein Urteil ein für allemal Geltung hat, daß deine Wertung die letzte ist?«
      »Ja«, sagte Josef, und es klang überzeugt, nicht eitel. Er setzte sich zu ihr, nahm ihren Kopf in beide Hände, hielt ihn in seinem Schoß, sprach hinunter zu ihr: »Siehst du, in euerm Alexandrien glaubt ihr an das Totengericht. Osiris thront, Anubis und Horus stehen an der Waage, zweiundvierzig Beisitzer, Straußfeder auf dem Haupt, Schwert in der Hand, halten Gericht über den Verstorbenen, und euer Hermes mit dem Vogelkopf verzeichnet den Spruch. Ich habe die Waage, ich verzeichne den Spruch. Ich brauche keinen Osiris und keine zweiundvierzig Beisitzer.«
      Dorion hörte ihm zu. Der Mann ist offenbar verrückt, größenwahnsinnig. Aber seine Stimme ist angenehm, sie geht ihr angenehm ins Ohr und ins Herz. Ihr Kopf liegt auf seinem Schoß, mit der einen Hand streichelt sie ihren großen, langhaarigen Kater Chronos, Josefs starrer, dreieckiger Bart kitzelt sie. Sie war ihm oft fremd in diesen letzten Wochen. Oft, gerade wenn dieser nette und männliche Oberst Annius da war, hat sie nicht begriffen, warum sie sich an diesen sonderbaren Juden weggeworfen hat,

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