Die Söhne.
könnte, von denen Josef träumte, etwas anderes als ein läppisch verkleinerter Abklatsch des griechischen? War sein, des Josef, Lebensziel wirklich nur die Imitation eines längst Erreichten?
Der Stolz des Römers auf sein Römertum war lächerlich. Keine Frage, daß Phineas ein besserer Mann war als der junge, dünkelhafte Mensch, der die Griechen angepöbelt hatte. Phineas hatte ihm gut erwidert, aber seine Argumente, sowie man sie näher betrachtete, zerfielen wie die des andern. Daß einer sich besser dünkt als der andere, weil die Vorfahren der Leute, in deren Mitte er geboren war und deren Sprache er sprach, große Taten verrichtet hatten, war sinnlos und verächtlich.
Josef, als er so weit gedacht hatte, erschrak. Wenn das für den Römer galt und für den Griechen, galt es weniger für ihn, den Juden? Schnell schaltete er seinen Vorbehalt ein. Gut, er hat den Psalm des Weltbürgers geschrieben, und sicherlich ist auch sein letztes Ziel, daß alle Stämme der Welt ein Volk werden, geeint im Geiste: aber solange das nicht erreicht ist, gilt es da nicht, die eigene Gruppe zusammenzuhalten, schon weil sie die einzige ist, die dieses Ziel erstrebt?
Er suchte das stark erschütterte Gebäude seines Stammesdünkels durch dieses Argument zu stützen, aber es gelang nicht. Er dachte seine Gedanken nicht zu Ende, hörte den Phineas nicht zu Ende. Er schlich hinaus, die hohen Stufen des Friedenstempels hinunter drückte er sich, benommen, in großer Verwirrung, fliehend beinahe.
Am Abend dieses Tages aber, als er zu Claudius Regin, seinem Verleger, ging, um ihm das abgeschlossene Manuskript zu überreichen, hatte der leichtfertige Mann alle Eindrücke und Gedanken des Vormittags schon wieder in die unterste Tiefe seiner Brust verdrängt.
Der große Finanzmann, nach der Mahlzeit, lag auf dem Speisesofa, schlecht, lotterig angezogen, und trank in kleinen Schlucken an seinem Wein, er mußte ihn lauwarm trinken, er hatte einen schwachen Magen. Er sei enttäuscht von der Haltung des Titus, erzählte er dem Josef. Der Kaiser sei sonderbar apathisch. Immer müsse der Arzt um ihn sein, dieser Doktor Valens. Selbst wenn es um Summen von vierzig, fünfzig Millionen gehe, bleibe er zerstreut, eine auffallende Haltung für einen Sohn des Vespasian. Er schiebe Entscheidungen immer wieder auf. Auch die Juden ernsthaft zu beschützen, wie er es wohl gern möchte, könne er sich nicht entschließen. Wahrscheinlich liege das an den Gerüchten, die Domitian, das Früchtchen, aussprenge. Früher sei dem Titus das Geschwätz der Straße gleichgültig gewesen. Jetzt aber habe er solche Furcht davor, daß er sich scheue, den Juden seine Sympathien zu zeigen. Es wäre gut, wenn endlich Berenike käme.
Trotzdem Josef von der Weltkenntnis seines Verlegers viel hielt, stand die innere Zuversicht, die ihn erfaßt hatte, als er zum erstenmal vom Ableben des Vespasian hörte, so fest, daß ihn die Reden des Claudius Regin nicht irremachten.
Der jetzt hatte das Manuskript des Josef aufgerollt. »Lesen Sie den Anfang des sechsten Buches«, bat Josef, »das Kapitel unmittelbar vor dem Sturm auf die Tempelburg.« – »Die Römer«, las Claudius Regin, »rasierten, um sich das für ihre Belagerungswälle erforderliche Bauholz zu verschaffen, das an die Stadt anstoßende Gelände bis auf neunzig Stadien im Umkreis. Das Land, das vorher im üppigsten Schmuck von Bäumen und Lustgärten geprangt hatte, lag jetzt vollkommen kahl. Kein Fremder, der die herrliche Umgebung Jerusalems früher gesehen, hätte jetzt, beim Anblick solcher Verödung, auf die ungeheure Veränderung anders reagieren können als mit bestürztem Jammer. Wäre jemand, der mit der Gegend von früher her vertraut war, jetzt unversehens hierherversetzt worden, er hätte sie nicht wiedererkannt, er hätte die Stadt suchen müssen, die doch vor ihm lag.«
Josef wartete gespannt, was Regin sagen werde; er wußte, dieser Mann war einer der besten Kenner. »Ich freue mich«, sagte schließlich der Verleger, »daß Sie die jüdische Tendenz verstärkt haben. Ihr Buch, mein Doktor und Herr, ist sicherlich das beste Buch über den Krieg.« Josefs Herz hob sich. Aber Claudius Regin war noch nicht zu Ende. »Ich bin neugierig«, schloß er, »was Justus nach Ihrem Buch zu sagen haben wird.«
Den Freitagabend darauf ging Josef über die Emiliusbrücke, die hinüber zum rechten Ufer des Tiber führte, wo die Juden wohnten. Er war voll Genugtuung. Cajus
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