Die Söhne.
es in der Schrift. Josef, sowenig er sonst am jüdischen Ritus festhält, haßt alles Bildwerk, es ist ihm ein Greuel.
Dorion inzwischen schwatzt weiter, glücklich. Setzt ihm die Pläne des Architekten Grovius auseinander. Sie zieht ihm das goldene Schreibzeug aus dem Gürtel, zeichnet mit ein paar Strichen den Grundriß auf. Hier der große Speiseraum für den Sommer mit Aussicht auf den See und auf das Meer. Hier die Wandelgänge für Regen. Da kann sich Josef ergehen und sich von seinem unsichtbaren Gott für sein Totenrichteramt inspirieren lassen. Hier auch – ihre Stimme wurde bewegt vor Stolz –, die ganze Wandelhalle durch, soll das Fresko ihres Vaters Fabull laufen, sein schönstes Werk, das ihre Villa am Albanersee berühmt machen wird für die Ewigkeit, das Fresko »Die versäumten Gelegenheiten«. Ein junger Mann schaut jungen Frauen nach, die, ein langer Zug, von ihm weggehen, Göttinnen, wie es scheint; sie gehen weg, sie drehen noch den Kopf über die Schulter und lächeln ihm zu, sie sind sehr schön, in ihrem Lächeln ist ein kleines Bedauern und sehr viel Spott, und der junge Mann sitzt und starrt ihnen nach.
Josef ist nicht sehr interessiert an den Details des Freskos »Die versäumten Gelegenheiten«. Dorion hat ihm große Opfer gebracht, ungeheure, aber sie hat auch viel von ihm verlangt, mehr, als gemeinhin ein Mensch zu geben gewillt ist. Wenn er ihr die Villa schenkt, wird er für die Synagoge kein Geld mehr haben. Immer wieder stellt sie ihn vor solche Entscheidungen. Du sollst dich nicht vergatten mit den Töchtern der Sünde. Sie war halb Griechin, halb Ägypterin, ein Reis jener beiden Völker, die das seine am meisten gequält haben. Der Priester Pinchas, als er sah, daß einer aus der Gemeinde Israel hurte mit einer Midianitin, nahm einen Spieß und ging dem Manne nach in den Hurenwinkel und durchstach beide, den Mann und das Weib, durch ihren Bauch. Du sollst dich nicht vergatten. Es war eine sehr große Sünde. Andernteils hat Moses eine Midianitin geheiratet, Salomo eine Ägypterin. Ihm selber, dem es aufgetragen war, aus dem Bürger eines kleinen Staates ein Weltbürger zu werden, mußte allerhand erlaubt sein. Bisher war es ihm geglückt: er war Jude geblieben und war Römer geworden. Er hat sich mit der Tochter Edoms vermischt und ist Josef Ben Matthias geblieben.
Er tauchte auf aus seinen Träumen, und er sah die Frau, ihr zartes, hochfahrendes, begehrliches Gesicht, ihre gelockerten Glieder. Er hat diese Frau oft und abermals gekränkt. Er kann ihr jetzt nicht nein sagen, da es um ein so Kleines geht wie Geld. Er hat sich vermischt mit ihr, sie ist ihm sehr fremd, sie ist aus dem Blut uralter Götzendiener, ihre Väter, die die seinen gequält und gedemütigt haben, schlafen unter spitzen, hohen, dreieckigen Bergen, sie ist ganz angefüllt mit törichtem Aberglauben, sie hält die Bücher, die ihm heilig und sein Liebstes sind, für dumm und verächtlich und seine Lebensart für leere Spielerei. Gerade erst, da er von seiner Aufgabe erzählt, von seinem Totenrichteramt, hat sie ihn ausgelacht. Dennoch gehört sie zu ihm, und er zu ihr, der Jude zu der fremden Frau. Er hat den Psalm des Weltbürgers geschrieben: »Nicht Zion heißt das Reich, das ich euch gelobte, sein Name heißt: Erdkreis.« Und da ist die Frau, und er kann ihr nicht nein sagen wegen Geld.
Er packte sie, daß der Kater Chronos in Sprüngen davonlief, er riß ihren Kopf hintenüber und sagte ihr, ganz nah an ihrem halbgeöffneten Mund: »Wenn ich dir deine Villa gebe, Dorion, gibst du mir dann Paulus?«
Da lachte Dorion, laut, schrill, bösartig. »Ich denke nicht daran, mein Josef«, sagte sie, aber ihre Stimme war zärtlich. Doch im nächsten Augenblick riß sie sich los, jagte hinter einen der leeren Stühle, auf denen die Hörer des alten Valer gesessen waren. Er ihr nach, mit seinem geübten Schritt. Er packte sie, fester, gewalttätig. »Bekomme ich meine Villa?« fragte sie, sich wehrend, aber ihre Augen verschwammen schon.
Josef sagte weder ja noch nein. Nahm sie. Ringsum standen die leeren Stühle. Von einem Winkel aus schaute der Kater Chronos zu, leise fauchend, den Rücken gekrümmt.
Dreihundertfünfzig leibeigene Schreiber, in sieben Gruppen eingeteilt, arbeiteten an der Herstellung des »Jüdischen Kriegs«, nach dem Diktat von sieben Spezialisten. Zwei Tage vor der Audienz konnte Claudius Regin dem Josef das für den Kaiser bestimmte Exemplar aushändigen. Es war
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