Die Söhne.
manchmal ganz gut, zu wissen, daß es auf der Welt noch was anderes gibt als die Ideen des Forums und des Palatins. Es schadet nichts, wenn du dir manchmal von jüdischen Weibern die Haut und von jüdischen Propheten das Herz kraulen läßt: aber glaub mir, das römische Exerzierreglement und das politische Handbuch des Kaisers August sind Dinge, mit denen du im Leben besser bestehst als mit allen heiligen Schriften des Ostens.‹«
»Und werden Sie sich danach richten, Majestät?« fragte Josef. »Das siehst du doch«, schmunzelte vergnügt Titus und schaute auf das Bild der Berenike. Ihr langes, edles Gesicht blickte aus braungoldenen Augen auf sie herunter, überaus lebendig. »Dein Schwiegervater Fabuli hat da ein Meisterstück gemalt«, fuhr er fort, nachdenklich. »Aber was ist es? Holz und Farbe. Wo ist ihre Stimme? Weißt du noch, es war immer eine ganz kleine Heiserkeit in ihrer Stimme. Zuerst hat sie mir gar nicht gefallen. Und wo ist ihr Gang? Während wir vor Jerusalem standen, wie oft, habe ich davon geträumt, daß sie die Stufen des Tempels herunterschreiten wird, herunter aus dem Weißgoldenen. Nikion, Nikion, meine Wildtaube, mein Glanz«, sagte er, in etwas ungelenkem Aramäisch, gegen das Bild hin. Es war das erstemal, daß er das Bild der Frau vor einem Dritten mit diesem ihrem Kosenamen anrief. »Das wird eine gute Zeit werden«, fuhr er fort, strahlend. »Wir werden einige Mühe haben, unsere Nikion durchzusetzen, aber wir werden es schaffen.« Er war überaus zuversichtlich, der Soldat, den Josef kannte, das Kinn kurz, hart, die Augen eng, aufs Ziel gerichtet. In seiner Stimme aber war das alte, militärische Schmettern, so daß die beiden andern aufschauten.
Die haben sich inzwischen miteinander unterhalten, Phineas, der Sekretär, mit dem Leibarzt, mit Mucius Valens, Inhaber des Goldenen Rings des Zweiten Adels, einem sehr großen Herrn, einem der mächtigsten des Reichs. Er hat die medizinische Wissenschaft revolutioniert, dieser Valens, er hat eine neue Methode der Diagnose gefunden, er erkennt die Beschaffenheit fast jeder Krankheit an den Augen des Patienten, und seine Kunst hat ihm großen Ruhm gebracht und viel Geld. Er ist ein kalter Herr, der Leibarzt Valens, ein Realist, der im Grunde nichts gelten läßt als Profit und Karriere. Er gibt sich nicht aus im Gespräch. Auch diesem Griechen Phineas, den der Jude so hoch gerühmt hat, will er nichts sagen, er will ihn aushorchen, er will nicht draufzahlen, er will haben, was der andre zu geben hat. Aber Phineas ist geschickter im Gespräch als der Römer. Er erzählt wenig von sich, spricht mit Nichtachtung von den Widersachern des Valens, schmeichelt klug seiner Eitelkeit: er holt ihn aus, und selbstgefällig und mit großer Offenheit gibt Valens ihm seine medizinischen Überzeugungen preis.
Die beiden Männer haben lange Zeit, sich gegenseitig zu beschnüffeln; denn der Kaiser hört nicht auf, mit dem Juden zu reden. Mit Ungeduld, Neid und Erbitterung nehmen es die beiden wahr. Es dauert eine Ewigkeit, bis der Kaiser mit Josef zu ihnen zurückkommt. »Wir müssen uns jetzt sehr oft sehen, mein Josef«, beendet er das vertrauliche Gespräch. Dann strafft er sich, klatscht einen Sekretär herbei, verkündet: »Wir freuen Uns, Flavius Josephus, daß Sie die zweite Fassung Ihres großen Werkes abgeschlossen haben. Neun Jahre verlangte Horaz für die Reife eines Buches, neun Jahre jetzt haben Sie an diesem Werk gearbeitet. Ihr Buch ist ein Ehrendenkmal für Unsern Vater, den göttlichen Vespasian, eine Ehrung für Uns selbst und Uns sehr willkommen. Wir sind gewillt, Ihnen auch für die Zukunft die Möglichkeit zu schaffen, Ihre Wissenschaft und Kunst in würdiger Muße Unsern Interessen und denen des Reichs zu widmen. Lassen Sie mich Ihnen zum Zeichen Unseres Dankes und Unserer Anerkennung eine Anweisung auf den Fonds zur Förderung der Wissenschaften überreichen.« Und er nimmt aus der Hand des Sekretärs die Anweisung und übergibt sie Josef.
Josef, gemeinhin nicht eben geldgierig, hätte in diesem Augenblick doch sehr gerne gewußt, wie hoch die Anweisung sein mag. Vieles hing für ihn davon ab. Allein er mußte sie wohl ungelesen in den Ärmel schieben. Er schickte sich an, dem Kaiser zu danken. Der schaute ihm voll ins Gesicht, mit einem ganz kleinen Lächeln, dann, unversehens, es war wohl ein plötzlicher Entschluß, fuhr er fort, und jetzt klang seine Stimme nicht mehr schmetternd, sondern es war die Stimme
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