Die Söhne.
das nicht machen. Wir werden charakterisieren, nicht karikieren.
Es ist ein jüdischer Kopf, den wir da zu machen haben. Herr Flavius Josephus ist Jude. Denkt euch den Bart hinzu, dann wird es noch deutlicher. Wir müssen es dahin bringen, daß sich der Beschauer, ohne daß er es selber merkt, den Bart hinzudenkt. Macht die Augen auf, Jungens. Schaut euch den Kopf gut an, so wie er jetzt vor euch ist. Wenn ich ihn erst einmal modelliert habe, dann werdet ihr ihn nur mehr sehen, wie ich ihn sah.«
Er schickte die Schüler hinaus und dann auch den Kritias. »Diese Vorbereitungen sind ein wenig langweilig«, wandte er sich wieder an Josef. »Aber ich kann nicht zu arbeiten anfangen, ehe ich mir über jede Einzelheit klargeworden bin. Das geht am besten, wenn ich das Modell meinen Schülern erkläre.«
»Wie halten wir es mit der Säule?« fragte er nachdenklich. »Wenn wir Herrn Fabuli dazu bekämen, Ihren Schwiegervater, die Säule zu bemalen, das wäre eine große Sache.« – »Ich möchte Herrn Fabull nicht bemühen«, lehnte Josef kurz ab. »Fabuli ist ein herrlicher Maler«, beharrte Basil, »und für solche Arbeit unbestritten der erste Mann der Epoche. Ich arbeite gern mit ihm.« – »Ich möchte Herrn Fabull nicht heranziehen«, erwiderte noch energischer Josef. »Wenn Sie es durchaus ablehnen«, seufzte Basil, »dann müssen wir den Sockel mit Reliefs ausarbeiten. Sie waren doch General, habe ich mir sagen lassen. Da werden wir am besten einige Ihrer Kriegstaten auf den Reliefs darstellen.«
Josef war im Begriff, auch diesen Vorschlag heftig zurückzuweisen, als mit kräftigem Schritt, an dem tief sich neigenden Leibeigenen vorbei, eine junge Dame in das Atelier kam, stattlich, schön, hochfahrend. Sie habe unerwarteterweise zwei Stunden frei, erklärte sie dem offensichtlich geschmeichelten Bildhauer, und jetzt wolle sie ihre Kolossalstatue beschauen, solange sie noch im Stein stecke. Ob sie sehr störe, unterbrach sie sich, mit einer leichten Kopfbewegung gegen Josef. Die ganze Zeit hatte sich Josef gefragt, wessen Züge dort drüben das große Modell der Juno trage. Jetzt erkannte er, daß es natürlich die Züge dieser Dame waren, der Frau des Erbprinzen, Lucia Domitia Longina. Der Bildhauer, in seiner saloppen Art, sagte, sie störe nicht; denn selbstverständlich werde er vorher seine Sache mit dem Herrn ins reine bringen. Dann werde er ihr gern die Statue zeigen.
Der Herr selbst aber scheine verärgert, bemerkte die Prinzessin, den Josef ungeniert auf und ab schauend, leicht amüsiert über sein steifes, verschlossenes Gesicht.
Basil stellte ihn vor. Sie habe doch gleich gewußt, sagte Lucia, daß sie dieses Gesicht kenne. Sie habe ihn schon mehrmals gesehen, er sei ihr aufgefallen. Aber etwas an seinem Gesicht habe sich verändert. »Ein interessantes Buch, Ihr ›Jüdischer Krieg‹«, fuhr sie fort, ihn unverwandt und ohne Rücksicht musternd. »Gewöhnlich wird in solchen Büchern schrecklich gelogen. Selbst in den Memoiren meines Vaters, des Feldmarschalls, scheint mir einiges verdächtig. Bei Ihrem Buch hatte ich den Eindruck, Sie schwindeln nur, wenn es um Nie selber geht. Dafür habe ich Witterung.«
Josefs Gesicht verlor seine Finsternis. Sooft er diese Dame Lucia bei offiziellen Anlässen gesehen hatte, war sie ihm ernst vorgekommen, streng, repräsentativ, die Juno des Modells. Nie hätte er gedacht, daß sich diese Juno so leicht und angenehm geben könnte. Sein Unmut war fort. Vor Frauen solcher Art fühlte er sich sicher und beschwingt. Möglich, setzte er ihr auseinander, daß an seinem Buch einiges gezwungen und weniger überzeugend wirke. Das komme daher, daß er seine Gedanken in einer fremden Sprache habe ausdrücken müssen. Jetzt aber, in der Neufassung, sei ihm vieles besser geglückt.
»Wie ist es also?« unterbrach Basil. »Bleibt es bei den Reliefs?« Josefs Unbehagen kam zurück. Was denn aus seinem früheren Leben will er in Stein hauen, dieser Aufdringliche? Seine Taten im jüdischen Krieg? Die werden sich nicht gut ausnehmen in römischen Augen. Seine Begegnung mit Vespasian, diese zweideutige, ihn peinigende Begegnung, die ihn vor den Juden befleckt, soll die in Stein gehauen werden?
per kleine, flinke Basil – ihr »Eichhörnchen« nannte ihn Lucia – schwatzte unterdessen munter weiter. Sonst habe man bei einem Schriftsteller nicht viel Material für den Sockel, meinte er, aber bei einem Kriegshelden wie Josef bleibe ja die
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