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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Kaiser sein Veto einlegte, hatte man deutlich gezeigt, daß man nicht gewillt war, die Politik des Reichs von Rücksichten auf die Jüdin bestimmen zu lassen.
      Im übrigen hinderten den Flavius Silva seine umständlichen politischen Geschäfte nicht, nach den Entbehrungen der Provinz das laute, fröhliche Leben der Hauptstadt zu genießen. Man sah ihn auf vielen Festen, man sah ihn in den vornehmen Villen in Antium und den albanischen Bergen.
      Sein Vetter Annius führte ihn bei der Dame Dorion ein. Annius hatte ihm viel von den Opfern erzählt, die diese reizvolle Frau auf sich genommen hatte, um ihren Sohn vor der Beschneidung zu bewahren. Hatte sie es doch nur zu diesem Zweck abgelehnt, römische Vollbürgerin zu werden; denn war sie erst im Genuß dieses Bürgerrechts, dann verwandelte sich ihre Verbindung mit Josef aus einer Ehe halber Legalität in eine vollgültige, und dann stand es bei Josef, die Glaubenszugehörigkeit seines Sohnes zu bestimmen. Flavius Silva war entzückt von der Haltung der Dame Dorion und verfehlte nicht, ihr seinen Enthusiasmus auf soldatische Art zu zeigen.
      Die Tatsache, daß die Frau des größten jüdischen Schriftstellers sich mit solcher Hartnäckigkeit und unter so vielen Opfern der Beschneidung ihres Sohnes widersetzte, bestätigte dem Gouverneur, wie widerwärtig jedem normalen Untertan des Reichs der jüdische Aberglaube war und wie berechtigt also sein Vorgehen. Dorions Kampf wurde sein eigener.
      Sehr schnell verbreitete sich auch auf dem rechten Tiberufer die Nachricht von der Ankunft des Gouverneurs und seiner Absicht, bittere Maßnahmen gegen das geschlagene Volk der Juden durchzuführen. Ein Trost blieb, daß der Kaiser ihn nicht empfing. Trotzdem wuchs Unruhe und Angst.
      Und Berenike kam nicht.
      Cajus Barzaarone ging nochmals zu Josef und bat ihn, er möge sich nicht länger Gewissensskrupel machen. Im Interesse aller müsse er sich überwinden und die Ehrensäule annehmen. Doktor Licin redete ihm zu, der Glasfabrikant Alexas, sogar, leichtgrinsend, Claudius Regin. Demetrius Liban bot seine geübte Beredsamkeit auf. Alle bestürmten sie den Josef. Er aber ließ sich bitten, oft und abermals, und zögerte lange, ehe er endlich tat, was zu tun er von Anfang an entschlossen war.

    Mit Unbehagen ging er durch den neunten Bezirk, in dem der Bildhauer Basil sein Atelier hatte. In diesem Bezirk waren die meisten Steinmetzen angesiedelt. Hier lagen, eine neben der andern, die zahlreichen Werkstätten, in denen fabrikmäßig die Denkmäler und Büsten hergestellt wurden, die der ungeheure Bedarf der Stadt und des Reichs forderte. Jetzt zum Beispiel, nach der Thronübernahme, wurden allein an großen Büsten und Denkmälern des Titus über dreißigtausend verlangt. Man sah hier den neuen Kaiser in allen Stellungen, als Triumphator, zu Pferde, auf dem Thron. Sein breiter, knabenhaft nachdenklicher Kopf mit den kurzen, krausen, in die Stirn frisierten Locken war zu Zimmerschmuck jeder Art verarbeitet. Künstlerische Skrupel machte man sich wenige. Da hatte man etwa auf Vorrat vierhundert Vollstatuen des Vespasian angefertigt, die jetzt durch den Tod des Kaisers zu raumfressenden Lagerbeständen wurden; man verwendete kurzerhand die Rümpfe und setzte ihnen den Kopf des neuen Herrschers auf.
      Josef haßte den neunten Bezirk. Unmutig schritt er durch den heißen, staubigen, lärmenden Wald gigantischer und winzig kleiner Stein- und Erzbilder von Göttern, Kaisern, Heroen, Philosophen. Angewidert ging er vorbei an den ernsten und neckischen Erzeugnissen des Kunstgewerbes, an Spiegeln, Leuchtern, Dreifüßen, Vasen, die betrunkene Silene zeigten, tanzende Nymphen, geflügelte Löwen, Knaben mit Gänsen, vielfältige Ausgeburten einer kindisch tändelnden Phantasie.
      Endlich war er am Hause des Bildhauers Basil angelangt. Es lag inmitten des Getümmels der Werkstätten. Erschreckend beinahe überfiel ihn die plötzliche Stille, als er die Vorhalle betrat. Die Werkstatt selber war ein großer, heller Saal; ein paar Bildwerke standen darin herum, Antiken wahrscheinlich, Josef verstand sich nicht darauf. Der Künstler Basil stand in dem weiten Raum, salopp, klein, etwas verloren.
      Er hieß den Josef sich setzen, ging um ihn herum, vielwortig schwatzend. »Natürlich freut es mich, Flavius Josephus«, sagte er, ihn mit hellen, unangenehm eindringlichen Augen musternd, »daß der Kaiser mir diesen Auftrag gegeben hat. Aber mir wäre lieber, er hätte ihn mir

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