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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Kriegsgefangenen, ist ein Mamser, ein Bastard.
      Es ist arg, daß er keinen rechtmäßigen jüdischen Sohn hat. Die Büste im Friedenstempel ist eine Ehrung, wie sie noch nie einem Juden widerfahren ist. Der Doktor Licin hat ihn aufgefordert, die Synagoge zu stiften. Es wäre gut, wenn die Thorarollen, die aus Jerusalem geretteten, in einer Josef-Synagoge stünden, während sein Bild im Friedenstempel steht. Die römischen Juden würden die Stiftung einer Josef-Synagoge nur dann würdigen, wenn er einen jüdischen Sohn hätte. Sein Schlaf wäre gut dann, tief und ohne Störung.
      Im Grunde ist der Mamser, der Bastard, von jeher dem vollberechtigten jüdischen Bürger gleichgestellt gewesen. Jetzt, nach der Zerstörung des Tempels, ist es erlaubt, die Gesetzgebung über die Bastarde in einem laxen Sinne auszudeuten. Ehefähig freilich ist der Bastard nicht. Aber es gibt Auswege. Es wäre schön, hier in Rom einen jüdischen Sohn zu haben. Es wäre schön, die Josef-Synagoge zu haben. Andernteils können, wenn er Mara erst einmal vor sein Angesicht läßt, leicht tausend Ungelegenheiten und Verwicklungen entstehen. Wenn es eine Josef-Synagoge gibt und sein Bild im Friedenstempel, dann wird sein Schlaf tief sein. »Ich danke Ihnen für die Botschaft, lieber Alexas«, beschließt er seine Gedanken. »Sagen Sie Mara, ich werde morgen kommen.«
      Am nächsten Tag, auf dem Wege zu ihr, sagte er sich, das Wichtigste sei, sich nicht überrumpeln, sich kein Versprechen ablocken zu lassen. Er wird sich die beiden einmal anschauen, das ist alles. Verpflichten wird er sich zu nichts.
      Die Frau, als er kam, neigte sich tief. Sie trug das einfache Kleid des nördlichen Judäa, viereckig, aus einem Stück, dunkelbraun, rot gestreift. Ein vertrauter Geruch stieg ihm in die Nase; sie liebte es noch immer, ihre Sandalen zu parfümieren. »O mein Herr«, sagte sie, »du hast dein Barthaar geopfert, aber dein Angesicht ist stark, schön und leuchtend auch ohne dein Barthaar.« Sie war demütig wie stets, aber voll von einer großen Sicherheit, die er früher nicht an ihr gekannt hatte. Mit ihrer kleinen, festen Hand wies sie auf den Jungen, nahm ihn um die Schulter, führte ihn Josef vor. Der sah, daß er breit war, wohlgeraten; in dem eirunden Schädel Maras hatte er entschiedene Lippen, eine kräftige Nase, lange, schnelle Augen wie er selber. Josef legte seinem Sohn die Hand auf das dichte, wirre Haar und segnete ihn, Gott möge ihn machen wie Ephraim und Menasse.
      Der Junge musterte den fremden Herrn ohne Verlegenheit, aber er blieb einsilbig. Sie sprachen aramäisch. Mara forderte ihren Sohn auf, griechisch zu sprechen; er könne ganz gut Griechisch, erklärte sie stolz. Aber Simeon war bockig, er sah nicht ein, warum er griechisch sprechen sollte, wenn der Herr Aramäisch konnte.
      Ein bißchen taute er auf, als Josef ihn über die Reise ausfragte. Die »Viktoria« war ein gutes Schiff, nicht sehr groß freilich. Bei dem Sturm kurz nach Alexandrien seien fast alle seekrank geworden, aber er nicht. Auch ein Transport wilder Tiere sei auf dem Schiff gewesen, für die Arena. Die hätten während des Sturms kolossal gebrüllt. Zwei Geschütze habe das Schiff mitgeführt, wegen der Seeräuber. Es gab zwar keine Seeräuber mehr, aber das Gesetz, daß jedes Schiff bestückt sein müsse, war nicht aufgehoben. Für die Geschütze hatte sich Simeon besonders interessiert. Er hatte sie sich von den Mannschaften genau erklären lassen, ja, er hatte selber ein kleines Modell eines Geschützes konstruiert. Mara bestand darauf, daß er es dem Herrn zeige. Er ließ sich auch nicht lange bitten. Sein Gesicht wurde hell, wenn er von dieser seiner Konstruktion sprach, lustiger als das oft finstere des Josef. Er hatte offenbar eine gute Hand für solche Dinge.
      Für so was, erklärte Mara, habe Simeon Interesse, da könne er aufpassen, da könne er Griechisch. Im Lehrhaus aber seien seine Leistungen keineswegs befriedigend. Er lasse sich zu leicht ablenken, treibe sich, ihren Ermahnungen zum Trotz, viel auf den Straßen Cäsareas herum, wo er von den Jungens der Gojim nur übles Zeug aufschnappe. Aber ihre dunkle Stimme war sanft, während sie ihren Simeon-Janiki verklagte, es war ein gewisser Stolz darin auf ihren geweckten Jungen, der so voll Interesse war für seine Umwelt.
      Josef, vorsichtig, immer wie ein Erwachsener zu einem andern sprechend, suchte aus dem Knaben herauszuholen, was der sich im Lehrhaus angeeignet

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