Die Söhne.
einzige Qual das Wählen. Josef fiel ihm ins Wort. Man lasse seine Niederlagen nicht gerne in Stein hauen, lehnte er ab. Er bitte darum, die Säule glatt zu halten, ohne Bemalung und ohne Relief. Vielleicht sei das eingebildet, aber er glaube, seine eigene Darstellung der Ereignisse sei anschaulich genug.
»Schön«, fügte sich Basil. »Sie ersparen mir Arbeit.« Lucia hatte schweigend zugehört. »Sie sind ein schwieriger Herr«, sagte sie jetzt zu Josef, lächelnd. »Merkwürdig, daß einer nach soviel Erlebnissen noch so empfindlich ist.«
Dann machte man sich auf den Weg, um die Kolossalstatue zu beschauen. Lucia forderte Josef auf, mitzukommen. Inmitten von Staub und Lärm hob sich die riesige Juno, noch zu einem guten Teil im Stein steckend. Die linke Hand sprang vor, Basil kletterte hinauf. Auf der mächtigen, steinernen Hand stehend, erklärte er seine Arbeit. Eine Juno sei keine dankbare Aufgabe. Eine Juno bleibe fad und feierlich, selbst wenn eine Lucia das Modell sei. Er möchte einmal die wirkliche Lucia machen, nicht die offizielle, repräsentative. »Wie stellen Sie sich denn die wirkliche Lucia vor?« fragte von unten herauf die Prinzessin, lachend. »Zum Beispiel«, meinte, sich duckend, Basil, »als Tänzerin Thais auf dem Rücken des Philosophen reitend, angenehm besoffen. Das wäre eine Aufgabe.«
Die große Lucia streckte sich, griff nach ihm, holte ihn von der Hand ihrer Statue herunter. Ihr persönlich liege wenig an Respekt, erklärte sie friedfertig, aber Bübchen würde sich ärgern, wenn er so unehrerbietiges Gerede hörte. »Jetzt«, wandte sie sich an Josef, »wo wir Ihre Jüdin bald da haben werden, Ihre Berenike, darf ich mir erst recht nichts vergeben. Ihr Juden macht unsereinem viele Ungelegenheiten«, seufzte sie. »Er gehört übrigens zur angenehmeren Sorte, finden Sie nicht, mein Eichhörnchen?« sagte sie zu Basil. Josef ärgerte sich, daß sie so über ihn hinweg sprach. Trotzdem, als sie ihre Sänfte bestieg, fragte er, sie mit seinen heftigen Augen dringlich anschauend: »Darf ich Ihnen die Neufassung meines Buches bringen?« – »Tun Sie das, mein Lieber«, erwiderte sie. Auch das sagte sie obenhin. Aber sie winkte dem Diener ab, der die Vorhänge schließen wollte, und während die Sänfte sich in Bewegung setzte, schaute sie den Josef an, mit geschlossenen Lippen lächelnd, ein klein wenig spöttisch, sehr einladend. Ihre Stirn unter der in vielen Locken hoch sich türmenden Frisur war rein und kindlich, ihre weit auseinanderstehenden Augen über der langen, kräftigen Nase schauten furchtlos, lebensgierig. Josef aber lächelte in seinem Innern und ärgerte sich nicht mehr.
Zu ungewohnter Stunde erschien in dem Haus im sechsten Bezirk der Glasfabrikant Alexas, den Josef unter allen Juden in Rom für seinen besten Freund hielt. Dieser Alexas war seinerzeit während der Belagerung in Jerusalem geblieben, seinem alten Vater zuliebe, der sich nicht von der Stadt hatte trennen können. Er hatte dort grausige Dinge durchgemacht, man hatte ihm seine ganze Familie auf schauerliche Art getötet, er selber war, im letzten Augenblick, von Josef aus einem Gefangenendepot herausgeholt worden, das die für Tierhetzen und Kampfspiele Bestimmten enthielt. Der weltkundige Mann mit seinen fortschrittlichen Fabrikationsmethoden war auch in Rom rasch hochgekommen. Seine stattliche Leibesfülle freilich und die frischen Farben seines Gesichtes waren für immer fort, sein strahlend schwarzer Bart verfärbt, und eine leise, wissende Trauer war um alles, was er sagte und was er tat. Josef hielt große Stücke auf seinen Freund. Der lebte beispielhaft und ohne viel Krampf vor, wie man gleichzeitig ein guter Jude und ein guter römischer Untertan sein konnte.
Heute schien der sonst so ruhige Mann erregt, seine trüben, bekümmerten Augen belebt. Zwei unerwartete Besucher waren in seinem Haus eingetroffen, ein Mädchen aus Judäa, oder vielmehr eine Frau, in Begleitung eines zehnjährigen Jungen, beide ihm von früher her nicht bekannt. Es war die erste Frau des Josef, Mara, mit ihrem Sohne Simeon.
Dem Alexas hatten die Frau und der Junge gut gefallen. Josef aber schien betreten, ablehnend. Warum denn die Frau gerade zu ihm gekommen sei? fragte er den Alexas. Es war deshalb gewesen, weil sie seinen Namen schon in Judäa gehört hatte als den eines Freundes des Josef. Was sie in Rom wolle, erzählte Alexas weiter, habe sie ihm nicht anvertraut, für alle seine Fragen habe
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