Die Söhne.
sie ein sanftes, geheimnisvolles und verschmitztes Lächeln gehabt. Sie habe ihn nur gebeten, zu dem Doktor Josef Ben Matthias zu gehen, Priester der Ersten Reihe, Freund des Kaisers, ihrem Herrn und früheren Gemahl, auf daß der, wenn er auch sie selber verworfen habe, seinem Sohne sein Antlitz leuchten lassen möge, dem Simeon, Janiki, seinem Erstgeborenen.
Josef hatte seine frühere Frau die ganzen zehn Jahre hindurch nicht gesehen, auch seinen Sohn nicht, und wenig Gedanken an die beiden verloren. Er hatte sich damit begnügt, ihr die ausgesetzte Rente anweisen zu lassen. Mara hatte zuerst auf dem Land gelebt, auf seinen Gütern, dann war sie in die Stadt gezogen, in die Meerstadt Cäsarea, damit dort der kleine Simeon die Schule besuche. Mara hätte ihn lieber in das Lehrhaus von Jabne gebracht, das Zentrum der jüdischen Gelehrsamkeit. Aber Josef hatte gefürchtet, daß sein Sohn dort nicht wohl aufgenommen werde, und darum Mara veranlaßt, mit ihrem Jungen nach Cäsarea zu gehen, der Hauptstadt des Landes, die fast nur von Griechen und Römern bewohnt war. Es war für Juden nicht ganz einfach, dort Zutritt zu erlangen; sie bedurften eines Sonderpasses. Aber Josefs Verwalter Theodor Bar Theodor hatte für Mara und ihren Jungen die Sondererlaubnis rasch erwirkt. Dort also hatte sie die letzten Jahre gelebt, still, gefügig, ohne ihn zu behelligen; jedes Jahr zum Hüttenfest hatte sie ihm in einem demütigen Brief mitteilen lassen, daß sie und ihr Sohn sich wohl befänden und ihm für seine Güte dankten.
Jetzt zum erstenmal, seitdem er sie kannte, hatte sie einen selbständigen Beschluß gefaßt und war ohne seinen Willen nach Rom gekommen. Er hatte sich von ihr geschieden, hatte die öffentliche Geißelung auf sich genommen, um diese Scheidung zu erlangen. Die Frau seiner Rippe ist Dorion, der Erstgeborene seines Herzens Paulus. Warum war auf einmal diese da? Was fiel ihr ein? Was wollte sie? Das Richtige wäre, sie wieder nach Judäa zu schicken, ungesehen, mit strengem Verweis.
Er rief sich ihr Bild zurück, wie sie, nachdem Vespasian sie genommen hatte, zu ihm gekommen war, vernichtet, eine geschminkte Tote. Wie sie dann aufgeblüht war, nachdem der Römer ihn gezwungen hatte, sie zu heiraten. Sie war vierzehnjährig damals, ihr Gesicht rein, eirund, ihre niedrige Kinderstirn schimmernd. Demütig kamen die Worte aus ihrem üppig vorspringenden Mund, sanft und zärtlich glitt sie um einen herum, alle kleinen Wünsche erfüllend, bevor man sie aussprach. Und er hatte sich das gefallen lassen. Diese Mara, die, wenn auch gegen ihren Willen, durch die Kriegsgefangenschaft und die Buhlerei mit dem Römer zur Hure geworden, war seinem Herzen und seiner Haut wohlgefällig gewesen. Nicht lange freilich. Niemals war von ihr jene tiefe Lokkung ausgegangen wie von Dorion.
Jetzt also ist sie da. Als Geliebte hat man sie nach drei Wochen vergessen, aber sicher ist sie eine gute Mutter. Er war in Alexandrien, als sie ihm den Sohn gebar, den Erstgeborenen, den er nie gesehen hat. Er erinnert sich genau, wie sie es ihm mitgeteilt hat. Der Brief war von einem Schreiber geschrieben, aber man erkannte sogleich ihren Ton: »O Josef, mein Herr, Jahve hat gesehen, daß Deine Magd mißfällig war vor Deinem Angesicht, und er hat meinen Leib gesegnet und hat mich gewürdigt, daß ich Dir einen Sohn gebäre. Er ist an einem Sabbat geboren, und er wiegt sieben Litra und fünfundsechzig Zuz, und sein Schrei kam von der Wand zurück. Ich habe ihn Simeon genannt, das ist der Sohn der Erhörung, denn Jahve hat mich erhört, als ich mißfällig war. Josef, mein Herr, sei gegrüßt und werde groß in der Sonne des Kaisers, und der Herr lasse sein Antlitz leuchten über Dir. Und iß keinen Palmkohl, weil es Dich dann gegen die Brust drückt.« Dieser Brief schwamm auf dem Meer von Cäsarea nach Alexandrien, während gleichzeitig von Alexandrien nach Cäsarea jener andere Brief schwamm, in dem er ihr die Scheidung mitteilte.
Er will die alten Dinge nicht aufrühren. Er liebt den Sohn aus seiner Ehe mit Dorion. O wie liebt er ihn, seinen Sohn Paulus. Aber dieser Paulus ist nicht aufgenommen in die Gemeinschaft der Gläubigen, er sperrt sich zu vor ihm, hängt sich an jenen Phineas, den Hämischen, den Hund. Ist ein Griechenjunge, hochfahrend, voll Fremdheit und Verachtung vor dem jüdischen Vater. Jetzt also ist der andere da, sein jüdischer Sohn. Aber der, als die Frucht aus der Ehe eines Priesters mit einer
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