Die Söhne.
hatte. Viel war es offenbar nicht. Dennoch rührte es den Josef schmerzhaft tief auf, als er aus dem Munde seines Sohnes hebräische Worte hörte, uralte, vertraute Klänge, im Tonfall des Landes Israel. Der Junge verteidigte sich gegen die Klagen seiner Mutter. Wozu soll er die schwierigen Gesetze über Tempeldienst und Opfer auswendig lernen, da der Tempel doch leider einmal zerstört ist? Der Hafen von Cäsarea und die Schiffe und die Silos interessieren ihn eben mehr. Dafür kann er doch nichts.
Mara fürchtete, Josef werde zürnen über diese bedenklichen Reden des Knaben. Aber Josef zürnte nicht. Er selber war ein guter Schüler gewesen und hatte seine Stunden im Lehrhaus brav abgesessen. Aber dann war er Soldat geworden und hatte sich im Leben getummelt, und offenbar stak das Soldatische doch tiefer in ihm, als er glaubte. Das zeigte sich jetzt an dem Jungen. Er sprach mit ihm über Geschütze, er erklärte ihm die Konstruktion der »Großen Deborah«, jenes berühmten Geschützes der Juden, das die Römer erst nach so vielen vergeblichen Mühen hätten erobern können und das sie mit besonderem Stolz, trotzdem es halb zerstört war, im Triumphzug aufgeführt hatten. Der Junge hörte mit leuchtenden Augen zu. Josef selber ereiferte sich. Er hatte eine klassische Schilderung dieser Maschine in seinem Buch gegeben, er geriet ins Griechische, wie er jetzt sprach, und es erwies sich, daß Simeon-Janiki ganz gut verstand. Mara hörte befriedigt zu, wie ihr Mann und ihr Junge miteinander schwatzten.
Jetzt fragte der Junge den Vater aus nach den Merkwürdigkeiten der Stadt Rom, von denen er gehört hatte. »Euer Rom ist sehr groß«, meinte er nachdenklich. »Aber unser Cäsarea ist auch nicht klein«, fügte er sogleich hinzu, stolz. »Wir haben das Palais des Gouverneurs und die Kolossalstatuen am Hafen und die Große Rennbahn und vierzehn Tempel und das Große Theater und das Kleine Theater. Wir sind überhaupt die größte Stadt der Provinz. Mutter erlaubt nicht, daß ich zu den Wagenrennen gehe, aber ich habe mit dem Champion Thallus gesprochen, der dreizehnhundertvierunddreißig Rennen gewonnen hat. Er hat über drei Millionen gemacht, und er hat mich auf seinem Ersten Pferd Silvan reiten lassen. Sind Sie einmal auf einem Ersten Pferd gesessen?«
Jetzt sprach der Junge wieder aramäisch, und Josef fand sein Wesen gelöst und angenehm. »Ein Bastard, der ein Gelehrter ist, steht höher als ein unwissender Priester«, lautet ein Satz der Doktoren. Diesen Satz konnte man zwar kaum auf Simeon anwenden, aber sein Sohn gefiel ihm gleichwohl. Mara war glücklich, daß Josef dem Knaben wegen seiner Unwissenheit nicht zürnte. Ihre Schuld war es nicht, wenn er nicht das Zeug zu einem Doktor und Herrn in sich hatte. Sie hat wirklich alles dazu getan. Schon während ihrer Schwangerschaft hat sie Meerbarben gegessen, auf daß ihr Simeon wohl gerate. »Eigentlich hat es auch geholfen«, meinte sie mit sanftem Stolz. »Er ist wild, er treibt sich auf den Straßen herum und gebraucht schlechte Worte, und ich habe hierher nach Rom gehen müssen, weil ich in Cäsarea nicht mit ihm fertig wurde. Aber er hat einen raschen Kopf und eine geschickte Hand und findet Wohlgefallen vor den Menschen. Nein, das darf ich ohne Vermessenheit sagen: wir sind nicht aufs Johan nisbrot gekommen.« – »Sagt man das hier noch: ›aufs Johannisbrot‹?« erkundigte sich etwas verächtlich Simeon. »Bei uns in Cäsarea sagen sie ›auf den Hund gekommen‹. Das gefällt mir besser. Aber das Richtige habe ich erst auf dem Schiff gelernt, von den Matrosen. Die sagen: beschissen.« – »Immer hat er es mit den niedrigen Worten«, beklagte sich Mara. »Mir gefällt es: beschissen«, beharrte Simeon. »Wenn du schon das Johannisbrot nicht liebst, mein Junge«, riet Josef, »dann nimm vielleicht: unten durch.« Simeon überlegte einen kleinen Augenblick. »Nicht sehr schön«, entschied er. »Das andere ist schöner. Aber wenn Mutter es durchaus will, dann sage ich also: unten durch«, und er tauschte einen Blick des Einverständnisses mit Josef, ein Erwachsener, der auf die törichten Launen einer Frau Rücksicht nimmt.
Josef fragte seinen Sohn, ob er in Cäsarea viele Freunde habe. Es erwies sich, daß er mehrere griechische Kameraden hatte. Wurden sie frech, prügelte er sich mit ihnen herum. Unter den Polizisten hatte er gute Bekannte, die zu ihm hielten gegen die Lausebengels. Erst hatte er offenkundig statt »Lausebengels«
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