Die Söhne.
ein kräftigeres Wort nehmen wollen, aber aus männlicher Rücksicht auf die Mutter unterdrückte er es.
Diese, nach einer Weile, schickte den Knaben hinunter auf die Straße; er hatte auch da bereits Freunde. Josef, sowie sie allein waren, beschaute Mara. Sie war reifer als früher, ein wenig dicklich übrigens, fest in sich ruhend, voll bescheidener Genugtuung. Er, vor seinem Sohne Paulus, hatte versagt. Er, der die Welt durchtränken wollte mit jüdischem Geist, konnte nicht einmal seinen Sohn damit erfüllen. Hier aber die Frau saß da, ein kleines, zufriedenes Lächeln um den üppig vorspringenden Mund. Ihr Sohn hatte nicht das Zeug zum Schriftgelehrten, er war ein wenig vulgär, manches war in ihm von seinem Großvater, dem Theaterdiener Lakisch. Aber ein Jude war er immerhin, gut gediehen im ganzen, geweckt.
Trotzdem reizte den Josef die Zufriedenheit der Frau. Finsterer, als es ursprünglich seine Absicht gewesen war, fragte er sie, was sie denn hier wolle, was sie von ihm wolle.
Sein Unmut schreckte sie nicht. Sie glaube, erwiderte sie, Simeon-Janiki sei ein bißchen verwildert. Cäsarea, wo er immer mit den Griechenjungen herumgetobt habe, sei vielleicht doch nicht das Richtige für ihn gewesen, in Jabne hätte er bessere Aufsicht gehabt. Hier in Rom hoffe sie jemanden zu finden, der die Hand fest genug habe, ihn zu zähmen. Josef sah vor sich hin, erwiderte nichts. Dies sei aber nur das eine, fuhr sie fort. Sie habe noch einen wichtigeren Grund. Daß Josef, ihr Herr, seinen Sohn nicht habe in Jabne erziehen lassen, sei eine schwere Last für ihr Herz gewesen all die Jahre hindurch; denn sie glaube, sie habe den Grund richtig erraten, trotz all ihrer Torheit. So sei sie denn allein nach Jabne gegangen, Wanderstab in der Hand, Wasserschlauch und hörnernen Behälter für die Wegzehrung um die Schulter, wie man früher nach Jerusalem hinaufzog, und habe umgefragt bei den Doktoren der Universität, ob es denn kein Mittel gebe, ihren Sohn, diesen ihren wohlgeratenen Simeon-Janiki, zu befreien von dem Fluch, der auf ihm liege; denn er sei doch nun einmal vorläufig ein Mamser, ein Bastard. Sie sei bis zu dem weisesten aller Menschen vorgedrungen, kurz vor seinem Ableben übrigens, zu dem Großdoktor Jochanan Ben Sakkai, das Andenken des Gerechten zum Guten. Der habe denn auch mild zu ihr gesprochen und habe ihre Rede erwogen, als käme sie nicht wie aus dem Mund eines jungen Kalbes, und habe ihr geraten, nach Rom zu gehen und zu Josef zu sagen, er habe sie geschickt. Da habe sie angefangen zu sparen von dem Geld, das Josef in seiner Güte ihr gegeben habe, und gerade als sie die Summe für die Reise zusammen hatte, sei für alle Juden ein neuer Glanz angebrochen, weil doch nun eine jüdische Frau Kaiserin in Rom sein werde. Und nun sei sie da und hoffe, ihr Herr Josef zürne nicht. Das brachte sie vor, sanft, ohne Anspruch, immer mit ihrem kleinen, stillen, verschmitzten Lächeln.
Josef, als er den Namen Jochanan Ben Sakkai aus dem Munde der Frau hörte, war erschüttert. Er hatte angenommen, sie sei aus Vorwitz gekommen, zudringlich, von allein. Und nun war es Jochanan Ben Sakkai, der sie geschickt hatte, sein Lehrer, der hochverehrte, listige, der an seiner Universität Jabne mit gesegneter, übermenschlicher Zähigkeit am Werke gewesen war, den verlorenen Staat der Juden durch die Lehre des Moses und die Bräuche der Doktoren zu ersetzen. Dieser Mann hatte bis zuletzt an Josef geglaubt, als längst die anderen ihn anspien. Der also, sich mühend um ihn übers Grab hinaus, hat ihm die Frau und den Jungen geschickt, und jetzt gerade sind sie gekommen, da er in Wirrnis war des Bildes wegen, das man von ihm machte.
Die Frau sprach weiter. Sie hatte hundert Sorgen. Ob man denn richtig auf seine Nahrung sehe? Ob man ihm genügend Rettich gebe und Johannisbrotblätter? Ob man ihm nicht zu scharfe Kapernsauce vorsetze? Das habe ihm immer geschadet. Sie habe ihm ein wenig Majoran-Ysop mitgebracht, auch gutes Salz aus dem Toten Meer, das römische Salz sei so schlecht, habe man ihr gesagt.
Sie holte die kleinen Gaben hervor, glücklich, eine Luft mit diesem Mann zu atmen, ihm von seinem, ihrem Kind zu sprechen, von diesem klügsten und tapfersten aller Söhne, Simeon-Janiki. Josef hörte ihre stillen Worte, sah ihre niedrige, schimmernde Stirn. Er dachte an den mühevollen, umwegig kämpfenden Glauben jenes großen Alten, Jochanan Ben Sakkais. Gott wird nicht kleiner, hatte der ihm gesagt,
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