Die Söhne.
daß Paulus seine eigenen Gaben durch die Bildung und die Sitten des Phineas veredle. Darauf sei sie stolz; denn das sei das Wenigste, was eine gute Mutter für einen solchen Sohn tun könne.
Ihn reizte ihre Zähigkeit. »Und was«, fragte er spöttisch, »ist das Höchste, was du mit den Methoden deines Phineas errei chen kannst? Daß Paulus, wenn er erwachsen ist, beliebt sein wird bei aller Welt und ein Flachkopf wie dein Annius und die andern um dich herum.« Schon während er dies sagte, bereute er es. Aber es war zu spät. Sie stand auf, stand ihm gegenüber, dünn, schlank, blaß. Zunächst freilich gelang es ihr, an sich zu halten. »Du verstehst ihn nicht, den Jungen«, sagte sie. »Er ist nun einmal Grieche, und du bleibst Jude, und wenn du dir den Bart noch so sorgfältig abrasierst.« Dann aber, als käme ihr, was er gesagt hatte, jetzt erst zum vollen Bewußtsein, packte sie die weiße Wut. Er wage es, brach sie los, ihr den Annius vorzuwerfen, er, der so blind und wahllos sei in seiner Geilheit. Wer sei sie denn, diese Frau, um deren Jungen er so heftig kämpfe? Oh, sie wisse gut, wer sie sei, man habe es ihr gesagt. Eine Kleinbürgerin aus der Provinz, ein schmutziges Nichts, eine dicke, dumme Jüdin, an der selbst der alte Vespasian nach einer Nacht genug gehabt habe. Und deren Frucht wolle er jetzt ihrem behüteten, gepflegten Paulus gleichstellen. Und darum beschimpfe er sie. Woher er denn überhaupt wisse, daß dieser Straßenjunge sein Sohn sei und nicht der des Vespasian?
Während sie so gegen ihn keifte, schrill, dünn, gemein, war sie sich bitter und reuevoll bewußt, wie heiß sie ihn gestern hier an der gleichen Stelle gerühmt hatte. Sie liebte ihn doch. Sie hatte doch gezeigt, daß sie bereit war, auf ihn einzugehen, ihm gefügig zu sein, auch wenn sie ihn nicht verstand. Warum war er so gar nicht bereit zur geringsten Rücksicht? Warum verlangte er so viel und gab so wenig? Warum zwang er sie, widerlich und niedrig gegen ihn loszuschimpfen? Sie war sehr blaß, während sie schimpfte, ihr Zorn konnte sich nur schwer halten vor ihrer großen Liebe.
Josefs nacktes Gesicht, während ihre Worte auf ihn einpeitschten, rötete sich. Es drängte ihn, sich auf sie zu stürzen, auf sie einzuschlagen, auf diesen dünnen, frechen, gebrechlichen Körper, mit Fäusten, mit seinem Schreibzeug. Hinter ihrem Gesicht sah er das höfliche, höhnische des Phineas, hinter ihrer dünnen Stimme hörte er des Phineas wohlklingende, elegante. Aber in all seinem Zorn war er sich bewußt, daß es die erduldete Kränkung vieler Jahre war, die jetzt aus ihr losschrie. Er dachte daran, was alles sie ihm gegeben hatte, es war, als drängen durch ihre Worte hindurch ihre verschwiegenen Gedanken zu ihm. Er sah sie vor sich, wie sie sich hatte wegschicken lassen, schweigend, den Sohn nicht einmal erwähnend, diesen Sohn Paulus, den sie mit Recht den ihren nannte; denn es war ihr Sohn, nicht der seine. War es denn nicht seine Schuld, daß sie sich so verändert hatte? Er darf nicht zu genau wägen, was sie sagt. Sie ist verstört. Ihre Schimpfworte sind Worte des Augenblicks, in der nächsten Stunde schon wird sie bereuen. Er wußte nicht, daß sie bereute, schon während, ja bevor sie sie sprach.
Er ging zu ihr, setzte sich, zog sie zu sich herunter, machte seine Stimme sanft, redete auf sie ein. Sie habe recht. Er sei nun einmal Jude und sie Griechin, und nur in ihren besten, glücklichsten Momenten könnten sie ganz eins werden. So habe der Himmel das gefügt. Aber das gerade sei ja der Grund seines Vorschlags. Sie möge bedenken, daß dieser Vorschlag auch für ihn ein Opfer einschließe: den Verzicht auf Paulus. Es sei nicht so, daß er immer nur nehmen wolle und niemals geben. Daß er sie die Villa bauen lasse, auch das zum Beispiel, lege ihm allerhand Lasten auf.
Dieses Letzte hätte er nicht sagen sollen. Sie sprang auf, legte Raum zwischen ihn und sich. Hart, kalt, mit einer Stimme, deren Ruhe ihn mehr aufbrachte und erschreckte als ihr Zorn, erklärte sie, sie kenne eine ganze Reihe Männer, die ihr eine solche Villa und eine bessere mit Freuden schenkten, und ohne ihr das Geschenk hinterher vorzuwerfen. Was übrigens das Fresko »Die versäumten Gelegenheiten« anlange, so sei seine Überwindung überflüssig geworden. Ihr Vater weigere sich, es für ihn zu malen, er male es für den Kaiser.
Josefs Augen waren fast töricht vor Verwunderung. Er begriff die Gründe nicht, nicht die
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