Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
bemakelt. Der Jude, der Hund, der Wegwurf.«
      Niemals hatte Dorion aus dem Mund ihres Vaters so maßlose Worte gehört. Für einen Augenblick war sie geneigt gewesen, ihm recht zu geben; jetzt, da dies aus ihm herausquoll, änderten sich ihre Gefühle. Damals, als sie ihm ihren Entschluß mitteilte, mit dem Juden zu leben, hatte sie harte, höhnische Worte von ihm erwartet, aber er hatte nichts gesagt, er hatte den Mund zugepreßt, daß er ganz dünn wurde, seine Augen waren beängstigend rund aus seinem Gesicht herausgetreten, es war schlimm gewesen, und sie war schnell aus dem Hause gegangen, zu Josef. Er hatte geschwiegen, damals, er hatte auch seither geschwiegen, und sie war aufs tiefste erstaunt, daß er jetzt, nach zehn Jahren, auf einmal sprach.
      Zuerst fehlten ihr, der sonst so Wortgewandten, vor Erstaunen die Worte. Dann aber sah sie vor sich die Büste im Ehrensaal, ihren blassen, hohen Schimmer, das rätselhafte Leuchten um Josefs Kopf, sie hörte den festlichen Lärm, der ihn feierte, und ihr Staunen wandelte sich in Empörung. »Ich lasse ihn nicht beschimpfen«, brach sie los. »Auch von dir nicht. Er ein Hund? Er Wegwurf? Er hat Macht wie einer der Totenrichter«, fuhr sie fort mit ihrer dünnen Stimme, es klang etwas läppisch, sie selber hatte darüber gelacht, als Josef sich dessen rühmte, aber ihre Augen waren hell, wild, ekstatisch, als sie es ihm jetzt nachsprach. »Er hält Gericht über Lebende und Tote. Ihm ist die Macht gegeben. Er ist der Hermes mit dem Vogelkopf, der den Spruch verzeichnet auf seiner Schreibtafel.« Fast war sie froh, daß der Vorwurf des Vaters, der so lang verschwiegene, aufgestapelte, nun endlich Wort geworden war, daß sie sich dagegen wehren konnte.
      Er sprach weiter, schimpfte weiter, hart, grob, wie ein Rollkutscher. Es war ihm leid, während er sich so gehenließ. Er liebte seine Tochter, liebte sie um ihrer ägyptischen Mutter willen, um ihres Kunstverstandes willen, um ihres Sohnes willen, den sie in seinem Sinne großzog. Er wußte, daß er sie mit jedem Wort weiter von sich wegstieß, und er selber litt unter seinen Worten, es paßte nicht zu ihm, harte, grobe Reden zu führen. Aber wenn er an den Menschen dachte, an den Juden, den Lumpen, den Hund, dann verließ ihn seine Zucht, es riß ihn hin, und er sagte mehr, als er sagen wollte. Alles, was er so lange stumm in sich herumgetragen hatte, brach aus ihm heraus, schmutzig, niedrig, gemein.
      Dorion erblaßte, um die Lippen zuerst, wie es ihre Art war, dann über das ganze Gesicht. War das ihr Vater, der da hin und her ging und so gemein schimpfte und fluchte, der größte Künstler der Zeit, und an dem sie hing? Einmal hatte sie wählen müssen zwischen ihm und Josef, da hatte sie den Mann gewählt. Aber dann war alles gut geworden, sie hatte den Mann und den Vater, und sie hatte sich so darauf gefreut, daß jetzt in dem Haus, das der Mann ihr schenkte, das Werk des Vaters um sie sein sollte, dieses halb rührende, halb spöttische, sein bestes, »Die versäumten Gelegenheiten«. Und nun also endete alles in wüstem, grobem Geschimpfe. Aber es war nicht zu ändern, auch sie konnte sich nicht zähmen. »Geh«, unterbrach sie ihn plötzlich mit ihrer dünnen, schrillen Stimme, sie war jetzt vollkommen erblaßt, häßlich, verzerrt. »Geh«, sagte sie noch einmal, »und mal dein Bild, für wen du willst, für den Kaiser oder für den Pöbel von Rom.«
      Fabull saß da wie damals, als sie ihm zum erstenmal von ihrer Verbindung mit dem Juden gesprochen hatte, die Lippen ganz dünn, die Augen weit aus dem Kopf heraus. Er schwieg wie damals. Sie wünschte sehr, er spräche ein einziges Wort, das wie ein Widerruf klang oder eine Entschuldigung. Aber er sagte nichts, er nahm nichts zurück, er saß einfach da, vielleicht schaukelte er ein ganz klein wenig, unmerklich. Sein Schweigen legte sich um sie und engte sie hart ein, so daß ihr ganzer Rumpf schmerzte. Allein auch sie nahm nichts zurück, und als er schließlich aufstand, hielt sie ihn nicht. Da ging er denn, ein wenig schwankend, den Rücken nicht ganz so aufrecht wie sonst.

    So also sah es um Dorion aus, als Josef zu ihr kam, um ihr mitzuteilen, was er mit seinem Sohne Simeon vorhatte. Er wählte leichte, beiläufige Worte. Im Grunde war er stolz auf seinen Einfall und kam nicht auf den Gedanken, Dorion könnte ernsthafte Einwände machen.
      Ihr blaßbraunes Gesicht blieb unbewegt, während er sprach. Durch ihre Freunde wußte sie von

Weitere Kostenlose Bücher