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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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daß er es sich recht eingestand, das Judentum seines Vaters. Sein Vater war römischer Ritter, ein großer Schriftsteller und ein Freund des Kaisers, er liebte ihn und war stolz auf ihn: aber er war ein Jude. Was das eigentlich war, konnte einem keiner recht sagen. Es mußte etwas Gutes sein, denn sonst wäre sein Vater kein Jude, aber es mußte gleichzeitig etwas sehr Übles sein, sonst würde seine Mutter es zulassen, daß auch er Jude wurde und damit ein junger adliger Römer. Wenn er darüber Fragen stellte, vertröstete man ihn, man werde ihm das alles erklären, wenn er älter sei; aber er gäbe sein Ziegengespann darum, wenn er aus seiner verzwickten Lage heraus wäre.
      Oft, wenn er mit dem Vater zusammen war, betrachtete er ihn scheu, bemüht, näher an ihn heranzukommen. Beschaute seine Hände, die nackte Haut seiner Beine, das alles war fremd und war doch sein Vater, er streichelte wohl auch neugierig und zärtlich diese Haut; sein Vater bemerkte es kaum oder entzog sich ihm bald, ein wenig verwundert. Am meisten an seinem Vater hatte den Jungen der Bart beschäftigt, dieser kunstvoll geknüpfte, scharf dreieckige, schwarze Bart. Als kleines Kind hatte er oft versucht, damit zu spielen, daran herumzudröseln. Später sagte man ihn, daß nur östliche Menschen solche Bärte trügen. Als in allerletzter Zeit der Bart verschwand, war ihm das nackte Gesicht seines Vaters noch fremdartiger vorgekommen als das bärtige, und manchmal sehnte er sich nach dem strengen, kunstvollen Bart.
      Es kam vor, daß der Vater ihm Geschichten aus der jüdischen Legende erzählte, oder er beschrieb ihm die Pracht des Tempels. Aber so gut Josef solche Dinge in seinen Büchern gestaltete, seinem Jungen konnte er sie nicht mundgerecht machen. Die Geschichten der griechischen Welt, die Phineas ihm beibrachte, waren schöner, feiner. Auch war das Griechisch des Vaters fehlerhaft, voll von Akzenten und Betonungen, die Phineas ihm selber streng verbot. Paulus hörte höflich zu, aber er war froh, wenn der Vater zu Ende war.
      Einmal fragte er den Onkel Annius geradezu, wie es denn um die Juden stehe, und ob sie Barbaren seien. Einen kleinen Moment schien Onkel Annius betreten, dann aber sagte er dem Jungen auf seine laute, herzhaft offene Art Bescheid. Im Krieg haben sich die Juden als tapfere Soldaten erwiesen, keine Frage. Daß sie, wie allgemein behauptet werde, in ihrem Tempel einen Esel verehrt oder Griechenknaben geschlachtet hätten, halte er für unwahrscheinlich. Im übrigen steckten sie voll von Aberglauben. Dieser Aberglaube verleite sie zum Beispiel dazu, jeden siebenten Tag, also den siebenten Teil ihres Lebens, zu verfaulenzen. Dabei sei das nicht einfacher Müßiggang. Er habe selber erlebt, wie sich welche an diesem siebenten Tag aus ihrem Aberglauben heraus wehrlos hinschlachten ließen. Man müsse sich mit ihnen abfinden, wie sie nun einmal seien. Ein richtiger Römer könne mit jedem Lebewesen der bewohnten Welt fertig werden. Barbaren? Ja, in einem gewissen Sinn wohl, aber sie gehörten zu der feineren, der höheren Spezies. Mit den Deutschen etwa oder den Briten dürfe man sie nicht auf eine Stufe steilen.
      Über dieses Gespräch dachte Paulus oft und lange nach, am liebsten, wenn er in seinem Ziegenstall mit der Zurichtung des Futters beschäftigt war. Die Beschaffung und richtige Mischung des Futters für die Ziegen war keine leichte Arbeit. Sie waren wählerisch, vor allem Paniscus, der schöne, kastrierte Bock, auf den er stolz war. Sie brauchten trockene, gute Kräuter, ihre sorgfältig abgemessenen kleinen Portionen Salz und sehr viel frisches Grün, das in der Stadt nicht immer leicht zu beschaffen war. Paulus schnitt und mischte, die Ziegen drängten sich an ihn heran, rupften, kauten geräuschvoll, und er dachte. Da, einmal, kam ihm die Erleuchtung. Wenn die Juden Barbaren waren und wenn sein Vater ein Jude war, dann war es eben ein Gutes, ein Barbar zu sein, und dann war er stolz darauf, von einem Barbaren zu stammen. Er war mit seiner Arbeit fertig, aber er verließ den Stall nicht. Er kauerte in seiner Ecke. Das Geräusch der fressenden Ziegen war um ihn, und er dachte weiter an seinem Gedanken. »Ja, so ist es, mein Paniscus«, sagte er befriedigt und kraulte das eifrig kauende Tier hinter dem spitzen, kleinen Ohr.
      Josef sagte sich natürlich, daß sein Junge über seine eigene Zugehörigkeit zu den Juden allerlei Ärgerliches zu hören bekomme, aber wie sehr das an ihm zehrte,

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