Die Söhne.
Zusammenhänge, er verstand diese Menschen nicht. Er schwieg. Sie aber, weitergetrieben wahrscheinlich durch die Erinnerung an ihren Vater, wurde heftiger, zügelloser. »Schick das Weib weg«, verlangte sie plötzlich, ohne Übergang, hart, herrisch, »das Weib und den Bastard.«
Josef schaute auf sie, überrascht in seinem Herzen. Seine Erwägungen waren falsch gewesen, das sah er jetzt. Er kannte sie gut, aber doch nicht bis ans Ende. Er hatte in der Vergangenheit so viel von ihr verlangt, daß jetzt offenbar selbst eine gerechte Forderung sie in Wut brachte. »Schick das Weib weg«, beharrte sie, immer mit den gleichen, wilden, hellen Augen. Sie hatte alle Herrschaft über sich verloren.
Josef, wie immer, wenn etwas ganz Überraschendes, Unheilvolles ihn traf, wurde eiskalt, drückte seine Gefühle nieder, rief seine Vernunft zu Hilfe. »Überleg dir meinen Vorschlag in Ruhe, Dorion«, bat er, und seine Stimme klang gleichmütig. »Beschlafe ihn zwei, drei Nächte. Und was den Bau anlangt, so laß dich nicht hinhalten und verlange jede Beschleunigung. Ich habe zwei Raten bezahlt. Überleg dir alles gut, Dorion.« Er nahm ihren langen, dünnen Kopf zwischen seine beiden Hände, ihre Haut war zart und sehr kühl, er küßte sie, sie ließ es sich ohne Regung gefallen, und er ging.
Josef verlangte von Claudius Regin einen Vorschuß auf seine künftigen Arbeiten, hundertfünfzigtausend Sesterzien. Es wurde, wie Josef vorgesehen hatte, eine unangenehme Unterredung. Regin zahlte zwar, aber er hatte eine unbehagliche Art, die Überreichung einer Anweisung mit mürrischen und ironischen Bemerkungen allgemeiner Natur zu begleiten. Heute war er besonders unwirsch. Seit dem Tode Vespasians, erklärte er dem Josef, ist eine Zeit der Verschwendung angebrochen. Der Alte, wenn er sähe, mit wie leichter Hand Titus das Kapital vertut, das er mit soviel Mühe zusammengekratzt hat, sein Finger wüchse drohend aus dem Grab. »Vespasian«, raunzte er, »hätte Ihnen für die Neufassung des ›Jüdischen Kriegs‹ keine solche Summe hingeschmissen. Die Dame Dorion muß ihre Villa haben, natürlich. Muß man allen Launen der Damen nachgeben? Ich sehe es nicht gern, daß Sie jetzt bauen. Alle Welt muß jetzt bauen. Unser Titus steckt weitere zwölfeinhalb Millionen in sein Amphitheater. Hundert Tage müssen die Spiele dauern, mit denen es eingeweiht wird. Jeder Tag kostet nahe an eine halbe Million. Dem Alten bliebe der Speichel weg. Er hat mit Jupiters und meiner Hilfe ein paar Milliarden hinterlassen. Wenn wir so weitermachen, werden wir bald am Rande sein.
Es ist mir nicht um die einmalige Summe. Sie drückt, aber sie läßt sich schaffen. Es ist der Standard. Nach den Bädern und nach dem Amphitheater werden unsere lieben Römer noch eine Wandelhalle wollen, nach der Wandelhalle einen Tempel, und in den Bädern will man baden, und hunderttägige Spiele kann man nicht alle Jahre machen. Sie werden es erleben, Doktor Josef. An sich selber. Ihre Dame Dorion wird für die Villa ein Dutzend neue Leibeigene brauchen und Pferde und einen Wagen. Wir haben die Preise gesenkt, stimmt. Der Scheffel Weizen kostet nur mehr fünf Sesterzien, und schon für vierzehn kriegen Sie ein paar gute Schuhe. Der Schneider verlangt nur mehr sieben Sesterzien Tagelohn, und der Schreiber ist mit dreieinhalb für je hundert Zeilen zufrieden. Das sind Beträge, die Sie nicht umwerfen, das können Sie sich leisten. Aber Sie werden Augen machen, wie Ihr Budget anzieht, wenn erst die Dame Dorion in ihrer Villa sitzt. Schauen Sie mich an. Dieses Oberkleid ist vier Jahre alt, diese Schuhe drei. Ich könnte mir neue spendieren, aber ich halte es nicht für weise, meinen Standard ins Blaue hinein zu erhöhen.
Ich sehe es nicht gern, Doktor Josef, daß Sie sich den Kopf mit Finanzsorgen vernebeln, statt ihn für Ihre ›Jüdische Geschichte‹ frei zu halten. Ich habe allerhand in Sie hineingesteckt, Doktor Josef. Ich habe in Sie, lassen Sie mich mal rechnen, etwa zweitausend Prozent mehr hineingesteckt als in Ihren Kollegen Justus von Tiberias, und das Leben in Rom ist nur um siebenunddreißig Prozent teurer als das Leben in Alexandrien.«
»Na ja«, seufzte er und stellte Josef die Anweisung aus.
»Nicht ich bin es«, hatte Dorion gesagt, »die dir Paulus verweigert. Er selber verweigert sich dir. Versuch es. Hol ihn dir, wenn du kannst.« Diese Worte fraßen an Josef. Denn Dorion hatte recht, es war immer eine Fremdheit zwischen ihm und
Weitere Kostenlose Bücher