Die Söhne.
der Anwesenheit der ersten Frau des Josef, man lächelte über diese Frau aus der Provinz, es war ein Jugendabenteuer, Dorion selber hatte gelächelt und die Geschichte schnell wieder vergessen. Jetzt, während Josef sprach, nahm die Angelegenheit für sie ein anderes Gesicht an. Sie hatte für diesen Mann ungeheure Opfer gebracht, er hatte sie als etwas Natürliches hingenommen und ihr immer neue Demütigungen zugefügt. Und nun gar wollte er den Bastard dieser Kleinbürgerin aus der Provinz ihrem Paulus gleichstellen, ihn ihr ins Haus bringen. War er so stumpf, daß er nicht merkte, was er ihr zumutete? Oder waren es vielleicht trotz allem tiefere Bindungen, die ihn mit diesem judäischen Weib verknüpften? Man hatte ihr gesagt, die Frau sei eine dumme, dickliche, kleine Jüdin, ein Nichts: aber wer weiß, was diesen merkwürdigen Josef an sie fesselte. Jude bleibt Jude, Jude geht zur Jüdin wie Wolf zur Wölfin und Hund zur Hündin. Sie hatte ihn erst gestern noch so heiß gegen ihren Vater verteidigt, mit Nägeln und Zähnen, hatte ihren Vater, den einzigen Menschen, an dem sie hing, seinethalb aus dem Hause gewiesen. Das also war der Ersatz, den er ihr für ihren Vater bot: sein Bankert. Aber sie bezähmte sich, sie ließ von dem Bösen, Bitteren, das in ihr hochstieg, nichts laut werden, sie sagte nur hart und dünn: »Nein. Ich bin nicht damit einverstanden, daß du diesen Jungen unserm Paulus gleichstellst.«
Josef ließ sich durch ihren kühlen Ton täuschen. Es war nicht weiter verwunderlich, daß es einiges Hin und Her kostete, ehe sie ihre Zustimmung gab. In großer Ruhe also sprach er weiter. »Unserm Paulus?« fragte er zurück. »Das ist es ja eben, daß Paulus leider nur dein Paulus ist, nicht unser Paulus. Du mußt es doch begreifen, daß ich endlich einen richtigen, jüdischen Sohn haben will. Überlege dir, bitte, in Ruhe, Dorion, meine kluge, liebenswerte, ob ich Unbilliges von dir fordere.«
Dorion gab sich weiter unzugänglich. »Nicht ich bin es«, sagte sie bösartig, doch beherrscht, »die dir den Jungen verweigert. Er selber verweigert sich dir. Er tut recht daran; denn er ist nun einmal kein Jude. Du hast es geschafft, du hast dich aus dem niedrigen Volk herausgehoben. Warum soll mein Junge zu deinen Juden hinuntersteigen? Es ist guter Instinkt, wenn er nicht will. Sieh ihn dir an, sprich mit ihm: er will nicht. Versuch es. Hol ihn dir, wenn du kannst.«
Ihr ruhiger Hohn brachte ihn auf. Hatte nicht sie verhindert, daß der Junge mit jüdischen Lehren und jüdischen Menschen in Berührung kam? Hatte nicht sie ihm diesen Phineas in den Nacken gesetzt? Und nun wagte sie es, ihn zu verspotten, weil der Junge nicht jüdischer war? Er stellte sich Paulus vor, er verglich ihn mit Simeon. Paulus war schlank, edel gewachsen, er hatte die stillen, gefälligen Manieren des Phineas, es war keine Frage, daß, wenn man Simeon und ihn gegenüberstellte, der laute, hemmungslose Judenjunge nicht gut abschnitt. Aber hatte sie das Recht, ihn zu verlachen, weil er nicht Paulus zu seinem jüdischen Sohn hatte machen können? Ich selber bin schuld, daß sie jetzt so dreist ist, sagte er sich. Pherizus, Emanzipation, das ist die böseste Eigenschaft, die eine Frau haben kann, lehren die Doktoren, und vor keiner Gattung Weib warnen sie heftiger als vor der Emanzipierten. Verse der Bibel stiegen in ihm hoch. »Bitterer als den Tod empfand ich das Weib; sie gleicht einem Netz, ihr Herz einer Schlinge, ihre Hände Fangstricken. Wem Gott wohlwill, entrinnt ihr, aber der Sünder fängt sich in ihr.« Leise, unhörbar fast, wie als Junge, da er die Verse memoriert hatte, sprach er sie vor sich hin. »Sagtest du was?« fragte Dorion. Aber er hatte sich schon wieder in der Gewalt. Er muß Geduld mit ihr haben. Frauen haben keine Logik. Gott hat ihnen aufbauenden Verstand versagt. Selbst eine Jüdin ist der Logik kaum zugänglich: wie sollte es diese sein, die Griechin? »Du solltest das nicht sagen, Dorion«, meinte er also, ruhig. »Hast du nicht selber alles getan, ihn zum Griechen zu machen, und dich widersetzt, wenn ich ihm nur mit einem bißchen Judentum kommen wollte? Ich sage das nicht, um es dir vorzuwerfen, aber sei nun auch du, bitte, vernünftig, und stell dich mir nicht entgegen, wenn ich einen jüdischen Sohn haben will.«
Allein sie beharrte. Ihr Junge war Grieche, jede Faser an ihm war griechisch. Judentum aufzupfropfen wäre Verbrechen. Ja, sie habe es durchgesetzt, nicht ohne Mühe,
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