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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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man nicht vielleicht das Gesetz gegen die falschen Anzeiger auch auf die Vergangenheit ausdehnen solle. Domitian meinte, das sei nicht ratsam, man müßte dann wohl gegen einige sehr angesehene Männer vorgehen, denen die staatlichen und die kaiserlichen Kassen viel verdankten; man tue nicht gut daran, diese alten, dem Ansehen der Dynastie nicht förderlichen Geschichten aufzuwärmen. Das war ein etwas laues Argument. Bübchen wußte das selber, und als Titus leichthin erwiderte, es sei freundlich von ihm, daß er sich soviel Sorgen um die Minderung seiner Popularität mache, wußte er nichts mehr zu erwidern und zog verstimmt ab, die gewohnte Höflichkeit mühsam wahrend.

    Senator Marull stand vor dem schweren Problem, ob er den Johann von Gischala wirklich aus der Leibeigenschaft freilassen sollte, wie er es ihm anläßlich des peinlichen Theaterprojekts Bübchens in Aussicht gestellt hatte. Niemand natürlich konnte ihn zwingen, sein Versprechen zu halten, und der kluge Galiläer war auch beherrscht genug, ihn nicht daran zu erinnern. Aber Johann war dem Marull nicht ein Leibeigener im gemeinen Sinn, und wenn die menschliche Bindung zwischen ihnen beiden nicht reißen sollte, konnte er ihn nicht auf immer in diesem unwürdigen Stand belassen. Dazu kam ein anderes. Wenn auch Marull an eine unmittelbare Gefahr nicht glaubte, so konnte immerhin bei den seltsamen Beziehungen zwischen Titus und Domitian den Walfisch plötzlich einmal die Laune ankommen, ihn mit Hilfe des Gesetzes gegen die Denunzianten zu verschlucken, und es wäre ärgerlich, wenn dann Johann in die Hand eines Irgendwer fiele. Marull beschloß also, seinen Johann freizulassen.
      Vorher aber wollte er sich mit seiner Hilfe noch einen Spaß machen. Marull, in letzter Zeit an den Zähnen und infolgedessen an zunehmender Menschenfeindschaft leidend, fand, Josephus wiege sich seit seiner großen Ehrung in besonders satter Selbstzufriedenheit, und Liban war ihm von jeher wichtigmacherisch erschienen. Er beschloß, seinen beiden hochmütigen Freunden einmal eine Lehre zu erteilen, und da er wußte, daß sie annahmen, sie selber und ihre Tätigkeit in Rom seien der Anlaß des jüdischen Krieges gewesen, hielt er seinen in die tiefsten Tiefen gefallenen Leibeigenen für den rechten Mann, dieses Geschäft zu besorgen.
      Er bat also Josef und Liban zusammen mit Claudius Regin und einigen andern zu Gast. Der Schauspieler machte ihm sein Vorhaben leicht. Kaum nämlich hatte Marull, nach dem Essen, vom jüdischen Krieg und seinen Ursachen zu sprechen angefangen, da begann Demetrius auf seine gewohnte, unterstrichen schlichte und darum um so bedeutungsvollere Manier, sich in Meditationen zu ergehen, wie seltsam Jahve und das Schicksal mit den Menschen spiele; man könnte mit dem Dichter sagen, »gleichwie der Wind mit Tropfen Wassers spielt auf breiten Blättern«. Damals, als er den »Juden Apella« aufführte, hatte er da nicht geglaubt, der gesamten Judenheit einen Dienst zu erweisen, und hatte er nicht, wie der hier anwesende Doktor Josef bezeugen könne, gerade dadurch die Entscheidung in der Frage von Cäsarea und somit den Ausbruch des Krieges herbeigeführt? Josef schwieg. Es war ihm nicht lieb, an jene Episode erinnert zu werden. Allein Marull forderte ihn auf: »Legen Sie Zeugnis ab, mein Josef, wie unser Demetrius will. Waren wirklich Sie und er die Ursache des Krieges?« – »Der unmittelbare Anlaß wohl«, zuckte Josef die Achseln, ein wenig verärgert.
      »Und was meinst du, mein Johann?« wandte sich plötzlich Marull an den Galiläer, der bescheiden unter den Aufwartenden in einer Ecke stand. Demetrius und Josef sahen unmutig hoch. Marull wußte doch, daß seit Beginn des jüdischen Krieges zwischen Johann und Josef bittere Feindschaft war, und was den Schauspieler anlangte, so war dem der Galiläer von jeher unsympathisch gewesen. Ein Nationalheld hatte pathetisch auszuschauen, romantisch, interessant. Es war ihm, dem großen Schauspieler, vorbehalten, daraus mit Hilfe eines witzigen Denkspiels das Gegenteil zu machen. Und nun erdreistete sich dieser Johann, das zu sein, was er selber, Demetrius, allenfalls zu spielen vorhatte. Es war eine derbe Unhöflichkeit von Marull, einen solchen Mann, einen Leibeigenen obendrein, als Zeugen wider einen Josef und einen Demetrius aufzurufen.
      Johann näherte sich auf bescheidene Art. »Was soll ich?« fragte er höflich. »Du hast gehört«, sagte Marull, »was unsere Freunde Flavius Josephus und

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