Die Söhne.
abzubringen war, die er sich einmal in den Kopf gesetzt hatte. Sie war gutmütig, und sie mochte ihr Bübchen gerne leiden. Sie nahm sich vor, ihn auch gegen seinen Willen vor der Blamage zu bewahren.
Schon wenige Tage später, am vierten September, bei der Eröffnung der großen vierzehntägigen Spiele im Theater des zweiten Bezirks, fand sie Gelegenheit, ihren Vorsatz auszuführen. Sie war in der kaiserlichen Loge. Titus schien frisch und besonders gut gelaunt. Er hatte nicht mehr den trüben, verschwommenen Blick der früheren Wochen, vielmehr sah er sie an mit Augen, die sahen, und wenn er sprach, dann war in seiner Stimme jenes leise Schmettern seiner besten Zeit. Sie hatte des Domitian Treibereien gegen Titus nie gebilligt; sie war lebenslustig, glanzsüchtig, aber aus viel zu großer Familie, um ehrgeizig zu sein. Auch spürte sie aus den Beziehungen des Titus zu Berenike die echte Leidenschaft, und die Zähigkeit dieser Neigung imponierte ihr. Es war das erstemal, daß sie ihren Schwager seit seiner Veränderung traf, er gefiel ihr, es war wahrhaftig nichts mehr vom Walfisch an ihm, und sie beschloß, das geschmacklose, tückische Projekt des Domitian jetzt schon in der Wurzel zunichte zu machen.
Es war, als ob Titus ihre Gedanken erraten hätte. Denn in der Pause fragte er sie, wie es denn nun mit ihrer Villa in Albanum voranginge und ob man bald mit der Eröffnung ihres Theaters rechnen könne. Sie schaute aus ihren großen, weit auseinanderstehenden Augen gerade in seine trüberen, harten, engen und sagte, es liege nicht am Bau, wenn man das Theater nicht so bald eröffne, vielmehr bestünden noch Meinungsdifferenzen zwischen ihr und Bübchen, was man da eigentlich spielen solle. Und sie erzählte unbekümmert Bübchens Projekt.
Titus schaute sie aufmerksam an, meinte, das sei interessant, dankte ihr, lächelte. Sie gefiel ihm, sie war in Wahrheit die Tochter des Feldmarschalls Corbulo, der so groß und froh zu leben und so groß und furchtlos zu sterben gewußt hatte. Er wunderte sich, daß Bübchen sie hatte gewinnen können und sie halten konnte, er beneidete ihn. Er beneidete sie um die Selbstverständlichkeit ihrer Handlungen, um ihre Kraft, um ihr strotzendes Römertum.
Auf der Bühne ging das Spiel weiter. Titus schaute Lucia, seine Nachbarin, von der Seite an. Diese und ihr Geschlecht sind nicht wie er und die Seinen durch tausend Wenn und Aber gehemmt. Sie sind ihre eigenen Richter, die Meinung der Welt ist ihnen gleichgültig. Sie lieben das Leben, sie fürchten nicht den Tod, und gerade darum können sie es genießen. Sie hatte die Unterredung mit ihm offenbar wieder vergessen, mit ganzer Anteilnahme folgte sie dem Spiel der Bühne. Wäre nicht Berenike, diese Frau wäre noch die einzige, die ihn reizte. Die Ärzte hatten ihm gesagt, er habe ein für allemal die Fähigkeit verloren, einen Sohn zu zeugen. Er versank in sich, grübelte, träumte. Er sah die Wange der Frau, den Arm mit der Hand, in die sie die Wange gestützt hatte. Eine leise, wahnsinnige Hoffnung stieg in ihm hoch, diese Frau könnte ihm vielleicht trotz des Spruches der Ärzte einen Sohn gebären.
Zwei Tage darauf ließ sich zu seiner Überraschung Domitian bei ihm melden. Bübchen gab sich höflich, geradezu unterwürfig. Es war wohl, nahm Titus an, das verunglückte Theaterprojekt und die Mißbilligung der Lucia, die den sonst so ungebärdigen Bruder heute so klein machten. Er selber, Titus, strahlte, er fühlte sich frisch, in guter Form, die Ankunft Berenikes stand bevor, und daß jetzt der Bruder so gedemütigt zu ihm kam, hob ihn noch mehr.
Freilich zeigte sich bald, daß der Prinz nicht etwa nur aus Schuldbewußtsein gekommen war. Behutsam nämlich, aber dem Titus deutlich erkennbar, steuerte er auf ein bestimmtes Ziel los. Immer wieder lenkte er das Gespräch auf ein Gesetz, das der Kaiser vor wenigen Tagen im Senat hatte beschließen lassen und das die Strafen gegen die falschen Anzeigen wegen Majestätsbeleidigung erheblich verschärfte. Offensichtlich machte sich der Prinz Sorgen über die Anwendung und Auswirkung dieses Gesetzes. Wieso aber, das blieb Titus fürs erste unklar.
Er selber hatte das Gesetz erlassen, weil in Rom die Stimmen nicht zum Schweigen kamen, die in dem Brand ein Zeichen sahen, wie sehr der Himmel seine Verbindung mit Berenike mißbillige. Es galt so, den Massen zu beweisen, wie fromm und mild er war. Das neue Gesetz war ein gutes Mittel. Die Verfahren wegen
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