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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Majestätsbeleidigung waren verhaßt, die Ankläger verachtet. Indem Titus die Strafandrohungen gegen falsche Denunzianten verschärfte, schmeichelte er den Massen und ehrte die Götter.
      Sehr ernst freilich nahmen weder der Hof noch die Gerichte diese Verschärfung der Gesetze. Die Strafen für Majestätsverbrechen waren außerordentlich hart, Tod, Verbannung, in jedem Falle aber Vermögenskonfiskation. Um diese Vermögenskonfiskation ging es; denn die im Verlauf solcher Verfahren konfiszierten Gelder und Güter bildeten einen wesentlichen Teil der Einnahmen der staatlichen und der kaiserlichen Kassen. Wer eine Anzeige erstattete, die zur Verurteilung des Angeschuldigten führte, erhielt einen hohen Anteil der konfiszierten Güter. Titus und seine Minister rechneten damit, daß infolge dieser hohen Belohnungen trotz der scharfen Strafandrohungen nach wie vor viele Anzeigen erfolgen würden.
      Er spielte mit Bübchen, gab ihm auf seine Anmerkungen zu dem Gesetz nur beiläufige Antworten, lenkte ab, schwatzte munter über dies und jenes. Bübchen aber kam gewandt auf vielen Wegen immer wieder auf das Edikt gegen die Denunzianten zurück, so daß Titus sich immer gespannter fragte, was er denn eigentlich wolle.
      Endlich nannte Domitian einen Namen, den Namen Junius Marull. Er nannte ihn behutsam, obenhin. Allein sowie dieser Name einmal gefallen war, sah Titus mit einemmal klar. Er lächelte still, grimmig, befriedigt. Da hatte er sich, und noch dazu ohne daß er es beabsichtigte, eine brauchbare Waffe gegen Bübchens Anmaßung geschaffen.
      Dem Senator Marull nämlich war seine Ausstoßung aus dem Senat geschäftlich gut bekommen, er hatte sich für den sozialen Abstieg durch einen Ungeheuern wirtschaftlichen Aufschwung entschädigt. Solange er Senator war, war es ihm verboten gewesen, Anzeigen zu erstatten. Nach seinem Ausschluß konnte er es sich erlauben, den und jenen seiner früheren Kollegen des Majestätsverbrechens zu zeihen. Er war ein gewiegter Jurist, ein ausgezeichneter Redner, er stillte seinen unersättlichen wirtschaftlichen Appetit. Neun Anzeigen hatte er erstattet; saftige Anzeigen. Der um die Mehrung des Staatsschatzes und seines eigenen stets besorgte Vespasian war ihm nicht in den Arm gefallen, und die Prozesse hatten zur Vergrößerung des wirtschaftlichen Ansehens sowohl Vespasians wie seines Gegners Marull viel beigetragen. In einem einzigen Fall, einem geringfügigen, hatte Vespasian, um das Prestige zu wahren, den Beschuldigten freisprechen lassen; aber unter dem ökonomischen Kaiser waren die Strafen gegen falsche Denunzianten mild gewesen, Marull war mit einer Geldbuße davongekommen.
      Als jetzt das neue Edikt so scharfe Strafen gegen die Anzeiger festsetzte, hatte Marull, spürsinnig, wie er war, sogleich bedacht, daß der Kaiser bei einigem schlechten Willen, ohne eine neue Vorlage im Senat einzubringen, dem Gesetz Rückwirkung verleihen und es gegen ihn ausdeuten lassen konnte. Wie er das dem Domitian mitteilte, beiläufig übrigens, wie es sich für einen Stoiker schickte, elegant und sorglos, festigte sich in dem immer finsteren und mißtrauischen Prinzen sogleich die Überzeugung, des Titus einziger Zweck bei der Einbringung des Gesetzes sei gewesen, den Marull zu treffen, seinen Freund Marull.
      Er war dem Marull ehrlich freund, wenn er es auch nicht lassen konnte, ihn manchmal zu quälen. Gerade jetzt, beim Scheitern des Theaterprojekts, war ihm wieder bewußt geworden, daß es auf der ganzen Welt nur drei Menschen gab, an denen er hing. Lucia, Annius, Marull. Hätte ein anderer ihn auf so brüske Art verraten wie jetzt Lucia, er hätte ihn in den Tod gehaßt und verfolgt: sie liebte er für ihren Verrat nur um so mehr. Hätte ein anderer sein Projekt verblümt als plump gescholten und einen feineren Geschmack zu zeigen gewagt als er selber, er hätte das diesem andern niemals verziehen: Marull liebte er darum um so mehr.
      Wie jetzt Marull ihm von der Gefahr sprach, in die das neue Gesetz ihn brachte, hatte er sogleich beschlossen, den freund vor den Intrigen des Bruders zu retten. Ohne Marull etwas davon zu sagen, war er zum Walfisch gegangen.
      Der hatte mit keinem leisesten Gedanken daran gedacht, das Gesetz gegen Marull anzuwenden. Wie er aber jetzt Bübchens Ängste merkte, war er schlau genug, ihn nicht zu beruhigen. Mit keinem Wort sprach er von Marull. Wohl aber erwähnte er beiläufig, seine Berater seien sich noch nicht schlüssig geworden, ob

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