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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Statistiken, dachte er. Ich habe die Entstehung des Krieges aus der Entwicklung eines ganzen Jahrhunderts erklärt, nicht aus ein paar zufälligen Ziffern. Sind Preise und Statistiken in den historischen Büchern der Bibel? Sind Preise und Statistiken bei Homer? Der Narr der, der Bauerntölpel, der Galiläer. Was will er denn? Jahve hat doch längst gegen ihn entschieden. Siebenundsiebzig sind es, die haben das Ohr der Welt, und ich bin einer von ihnen. Wessen Ohr aber hat der da? Marull will sich einen Spaß machen, darum läßt er ihn mit seinen Ziffern gegen mich los. Ich denke nicht daran, dem Römer darauf hereinzufallen.
      Leise bohrend aber, gegen seinen Willen, stieg in ihm die Erinnerung hoch, daß Justus von Tiberias in den wenigen, schmalen Bänden seiner Geschichtswerke Preise und Statistiken genannt hatte.
      Demetrius Liban mittlerweile ärgerte sich, daß die Aufmerksamkeit so ganz von ihm abgeglitten war. Nicht dazu hat er sich bezichtigt, an der Zerstörung des Tempels schuld zu sein, um dem Johann Gelegenheit zu einem langen, agrarökonomischen Vortrag zu geben. Was glaubt dieser Mensch? Will er sein Galiläa hierherverpflanzen? Hier hat man Gott sei Dank noch immer Sinn für Kunst, und die Betonung eines Wortes durch den Schauspieler Demetrius Liban interessiert die Römer immer noch mehr als die Ölpreise sämtlicher Provinzen.
      Da Josef schwieg und auch Liban nichts zu sagen wußte, meinte schließlich nachdenklich mit seiner hellen, fetten Stimme Claudius Regin: »Schade, daß Sie kein Schriftsteller sind, Johann von Gischala. Mit diesen Ihren Ansichten ließe sich ein höchst lesenswertes Buch schreiben.«
      Zwei Wochen später erschienen Senator Marull, Claudius Regin und der Leibeigene Johann von Gischala in der großen Julischen Halle, vor einer der Kammern des Hundertmännergerichts. Die Lanze war aufgepflanzt, das Zeichen der Besitzergreifung, denn diese Gerichtshöfe entschieden ausschließlich über Zivilstreitigkeiten.
      Die Formen der Verhandlung waren sehr feierlich, der Präsident des Gerichtshofes selber amtierte, einer der achtzehn Großrichter des Reichs, und die Liktoren walteten in voller Amtstracht, ausgestattet mit Beilen und Rutenbündeln. Aber in seltsamem Gegensatz zu dieser Feierlichkeit stand die Fülle der gleichzeitig verhandelten Prozesse. Acht Kammern tagten in der einen großen Halle, nur durch Vorhänge voneinander getrennt, so daß man da und dort die verschiedenen Verhandlungen gleichzeitig hörte.
      Sehr bald wurden die Parteien des Scheinprozesses »Claudius Regin gegen Junius Marull« aufgerufen.
      Regin rührte mit der verlängerten Hand, das heißt mit einem kleinen Stab, die Schulter des Johann und sagte die Formel: »Ich nehme diesen Mann als Freien in Anspruch.«
      Der Richter fragte den Marull: »Haben Sie dagegen etwas einzuwenden?« Marull schwieg.
      Daraufhin rührte der Liktor mit der verlängerten Hand die Schulter des Johann und sagte: »Man nimmt diesen Mann als einen Freien in Anspruch. Hat jemand dagegen etwas einzuwenden?« Und Marull schwieg abermals. Daraufhin erklärte der Richter: »So trete ich dem Freiheitsanspruch bei und erkläre diesen Mann für einen Freien nach Römischem Recht.«
      Nachdem dieser Akt vollzogen war, sagte Marull mit etwas fatalem Grinsen zu Johann: »So, mein Johann, und jetzt gebe ich dir fünfzigtausend Sesterzien, und wenn es fünfhunderttausend sind, dann kannst du meinethalb nach Judäa gehen.« Johann sagte: »Geben Sie mir zehntausend, und lassen Sie mich gehen, wenn es hunderttausend sind.«
      Claudius Regin hörte aufmerksam zu.
      Marull sagte sich, es sei vielleicht nicht klug gewesen, daß er dieses Gespräch in Gegenwart des Verlegers begonnen hatte. Aber nun blieb ihm nichts übrig, als ja zu sagen.

    Titus, nach den Mühen, die die Regierungsübernahme und die große Brandkatastrophe ihm gebracht hatten, fuhr, nur in Begleitung seines Arztes Valens, nach seinem Landgut bei Cosa, um sich eine kurze Rast zu gönnen.
      Die Rast wurde kürzer, als er beabsichtigt hatte. Schon nach den ersten Tagen traf aus der Stadt neue Unglücksbotschaft ein. Die Epidemie, die in Ägypten und in Sizilien so viele Opfer gefordert, hatte nun, gerade noch am Ende des Sommers, die Stadt Rom erreicht. Für den gestrigen Tag meldete der Gesundheitsdienst einhundertachtzehn Todesfälle. »Müssen wir nicht zurück nach Rom, mein Valens?« fragte Titus seinen Arzt und Vertrauten.
      Valens

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