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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Miene aufgesetzt, Marull eine ergötzte. Niemand sprach, alle warteten sie gespannt, was Johann weiter sagen werde.
      »Ich halte Judäa«, fuhr der scheinbar ohne Zusammenhang fort, »für ein gutes, gesundes Land und seine Lehre für etwas Großes, Herrliches, wohl wert, daß man sie verteidige. Ich meine nicht den unsichtbaren Gott und die großen Reden der Propheten. Das ist sicher etwas Erhabenes, aber doch mehr eine Sache für unseren Doktor Josef. Für mich sind das Beste an der Lehre die Agrargesetze, vor allem die über die Brachlegung der Äcker in jedem siebenten Jahr. Das sind eminent gescheite Vorschriften, und es ist nur schade, daß sie von der Habsucht der Jerusalemer Aristokratie so oft sabotiert wurden«, meinte er anzüglich, gegen Josef gewandt.
      »Ich glaube«, wandte er sich wieder an die andern, »dieses unser Siebenjahr wird sein gut Teil dazu beitragen, Rom kleinzukriegen. Sie erlauben mir, Senator Marull, daß ich meine bäurische Meinung gerade heraussage. ›Die Besiegten dik tieren den Siegern ihre Gesetze‹, immer wieder zitiert ihr entrüstet diesen Spruch eures Seneca. Unser Doktor Josef will das durch den Geist bewerkstelligen, höre ich. Das sind Wolkenschlösser. Aber mittels der Konkurrenz unserer Landwirtschaft, scheint mir, werden wir euch in nicht allzu ferner Zeit wirklich Gesetze diktieren können, und recht spürbare. Die Landwirtschaft Italiens ist nämlich auf dem Hund, Senator Marull. Ihr importiert und stapelt aus politischen Gründen, um das Getreide unentgeltlich oder zu sehr billigen Preisen an die Bevölkerung zu liefern, so viel Korn in Rom, daß ihr die Getreidewirtschaft Italiens ein für allemal unrentabel gemacht habt. Dafür habt ihr euch auf hochwertige Weine spezialisiert. Ursprünglich war diese Planwirtschaft nicht übel, sie war sogar großartig. Jetzt aber ist der Markt für eure Weine längst zu klein geworden. Afrika hat Überproduktion an Wein, Spanien deckt jetzt schon achtzig Prozent seines Bedarfs aus eigenen Erzeugnissen, Gallien vierzig, halb Asien beliefern wir Juden, bald werden wir es ganz beliefern. Glauben Sie, ihr könnt von dem Weinbedarf Englands und der beiden deutschen Provinzen leben? Überall sonst habt ihr kräftig zugegriffen. Aber an dieses Problem wagt ihr euch seit hundert Jahren nicht heran. Jetzt ist es zu spät, die Landwirtschaft Italiens umzustellen, und lebensfähig halten könnt ihr sie auch nicht länger. Nicht am griechischen Geist und nicht am jüdischen und nicht an den Barbaren wird Rom kaputtgehen, sondern am Zusammenbruch seiner Landwirtschaft. Das sage ich Ihnen, Senator Marull, Johann von Gischala, Bauer aus Galiläa. Denn von der Terrainspekulation und der Weltherrschaft allein kann man auf die Dauer nicht leben. Es geht nicht ohne eine vernünftig organisierte Landwirtschaft. Womit ich gegen den Kunstwert Ihres Buches nichts gesagt haben möchte«, schloß er trocken, sich höflich an Josef wendend.
      »Sind Ihre Gesichtspunkte nicht ein bißchen sehr agrarisch?« fragte Demetrius, da Josef schwieg. Es war nur ein ganz leiser Hohn in seiner Stimme, aber er hatte während der Rede Johanns Zeit gehabt, diesen Hohn gut zu präparieren, so daß aus ihm die ganze Verachtung des Idealisten für den rohen Materialismus des Erdenmenschen herausklang. »Wir Galiläer«, erklärte friedfertig Johann, »sind überzeugte Bauern. Die klugen Herren in Jerusalem«, lächelte er, »ersetzten denn auch das Wort Dummkopf durch das Wort Bauernvolk oder Galiläer.«
      Alle schauten auf Josef, was der wohl erwidern werde. Aber Josef blieb seinem Vorsatz treu und erwiderte nichts. Die Einwände des Johann waren lächerlich, wirkliche Bauerneinwände, die Einwände einer Schildkröte gegen einen Adler. Getreidepreise, Weinpreise, Ölpreise. Davon soll Politik abhängen, davon sollen Kriege herrühren? Oh, er hätte dem Johann schon herausgeben können. Wollen Sie vielleicht auch, hätte er ihm sagen können, den Auszug aus Ägypten, die Wanderung durch die Wüste, die Errichtung der Reiche Juda und Israel, die Kämpfe mit Babel, Assur und Hellas aus den Brot- und Weinpreisen erklären? Aber er bezwang sich und schwieg. Er hatte bessere Gelegenheit, seine Meinung darzutun. In seiner »Jüdischen Universalgeschichte« wird es darum gehen, immer wieder Ursachen und Folgen aufzuzeigen, und gerade da wird er erweisen, daß, was die Schicksale der Nationen geformt hat, immer Gedanken waren, religiöse Ideen, Geistiges. Preise,

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