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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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beiden Bändchen überreichte, bedeutete ja nun keine Dienstleistung mehr für sie; denn mit ihrer Ankunft in Rom sei der Prozeß wohl endgültig entschieden. So bleibe ihm nur übrig, ihr zu danken, daß sie ihm Gelegenheit gegeben habe, so vielen Menschen zu zeigen, was gutes Latein sei.
      Er sei im Irrtum, erwiderte Berenike, gerade jetzt brauche sie seine Hilfe mehr denn je. Sie werde nämlich schon in den nächsten Tagen Rom wieder verlassen.
      Es gelang dem stattlichen und würdigen Mann nur schwer, seine Bestürzung zu verbergen. Er hatte die Vertretung der Fürstin, der »hebräischen Venus«, wie er sie im Freundeskreis nannte, wirklich nur deshalb übernommen, weil er hier eine lockende Möglichkeit sah, große Redekunst zu entfalten. Berenikes Rechtsansprüche hatten eine umständliche Vorgeschichte. Gerade das hatte ihn gereizt; er war berühmt wegen seiner Fähigkeit, schwer Durchsichtiges lucid zu machen, die Logik der lateinischen Sprache erlaubte es, auch die verwikkeltsten Dinge klar darzustellen, und die lateinische Sprache und die Wahrung ihrer edlen Tradition war ihm Herzenssache. An dem Prozeß selber lag ihm wenig; ja, daß das Ende dieses Prozesses eigentlich von vornherein feststand, war die unausgesprochene Voraussetzung gewesen, unter der er das Mandat angenommen hatte.
      Es ging um die Frage, wieweit mit den Herrschaftstiteln der Berenike in Chalkis und Kilikien faktischer Besitz, Steuersouveränität vor allem, verbunden war. An sich bestand der Anspruch der Fürstin zu Recht. Gewiß hatte einmal, vor Jahrzehnten, einer ihrer Vorgänger in der Herrschaft Handlungen begangen, die ein römisches Gericht als Aufruhr hätte deuten und mit der Annullierung der Steuersouveränität hätte bestrafen können. Da Senat und Volk von Rom das aber damals unterlassen hatten, war der Anspruch des Reichs verjährt, Berenike genoß ihre Privilegien zu Recht. Andernteils ging es um hohe Werte, und die Rechtsbestimmungen waren dehnbar.
      Die ganze Stadt nahm an, daß, da die Gunst des Titus hinter der »hebräischen Venus« stand, der umständliche Prozeß eine reine Formsache war und mit einem sicheren Sieg Berenikes enden müsse. Wenn sich die Angelegenheit so in die Länge zog, dann nur deshalb, weil der knauserige Vespasian sich den formalen Verzicht auf so hochwertige Rechte nicht abringen konnte, trotzdem er faktisch längst vollzogen war; denn die Steuern waren die ganze Zeit über in Berenikes Kassen geflossen. Nun Titus an der Macht war, bestand kein Zweifel mehr, daß Rom in kürzester Frist Berenike im Besitz ihrer Rechte bestätigen werde.
      So war die Situation gewesen, als Quintilian die Fürstin begrüßte. Jetzt, mit dem kurzen Satz der Berenike, hatte sie sich erschreckend verändert. Im Lauf einer Viertelminute war der Prozeß aus einer literarischen Angelegenheit eine bedrohliche, politische geworden. In dem Augenblick, da Titus nicht mehr hinter der Besitzerin der Herrschaften stand, wurde es sehr zweifelhaft, ob Rom die große und leichte Beute werde fahrenlassen.
      Quintilian, während er sich bemühte, gelassen dazusitzen und auf eine so unerwartete Mitteilung die rechte Antwort zu finden, erwog in rasender Eile, was für Folgen die Ungnade der Berenike haben könne. Eine Menge Probleme taten sich vor ihm auf. Wird man nicht von Regierungsseite an ihn herantreten mit der Lockung, seine Klientin zu verraten? Wird nicht vielleicht andererseits der Kaiser, gerade weil er ihre Beziehungen zerreißt, sie entschädigen wollen? Da war er hergekommen in der Meinung, es gelte, einer guten Kennerin ein paar Seiten ausgezeichneter Prosa zu überreichen. Statt dessen sah er sich plötzlich vor lebenswichtigen Entscheidungen. Die Vertretung einer solchen Mandantin war bedenklich, vielleicht gefährlich. War es nicht das klügste, zu erklären, es sei seit langem sein Plan gewesen, sich ausschließlich seinen litera rischen Arbeiten zu widmen, was übrigens stimmte, und da nun durch die überstürzte Abreise der Fürstin der Prozeß sich von neuem zu verwickeln drohe, müsse er die Vertretung mit Bedauern niederlegen?
      Quintilian hatte die Juden nie geliebt, und der Einfluß der »hebräischen Venus« auf die römische Politik war ihm immer unbehaglich gewesen. Sich jetzt von ihr loszusagen war eine große Versuchung, aber Quintilian war ein leidenschaftlicher Stilist. Darzutun, daß das Lateinische dem Griechischen in nichts nachstehe und es in vielem übertreffe, war der

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