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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Worte des Bedauerns. Er war wirklich ein höflicher Herr, und man mußte ein feines Ohr haben, um herauszuhören, wie er aufatmete. Übrigens schnitt Berenike, trotzdem sie es anders beschlossen hatte, noch in der gleichen Audienz die Frage ihres Prozesses an. Sie meinte, nun sie, und wohl auf lange Zeit, Rom verlasse, sei es vielleicht geraten, mit ihm die leidige Frage ihrer Privilegien in Chalkis und Kilikien zu erörtern. Denn zuletzt werde ja doch er diese Frage zu entscheiden haben. Schon während sie sprach, bereute sie. Sie hatte ihm die Probe zu leicht gemacht. Er wird froh sein um ein so bequemes Mittel, sie zu »entschädigen«. Sie hätte jetzt nicht sprechen sollen. Aber zu groß war ihre Begier, zu erfahren, wie er darauf reagieren werde.
      Er schien geradezu erfreut, daß sie von diesem Rechtshandel anfing. Selbstverständlich, erklärte er, sei es an der Zeit, die läppische Angelegenheit endlich aus der Welt zu schaffen. Seine Minister und Juristen seien umständliche Aktenkrämer. Er sei sich längst klar über den Fall, und er danke ihr, daß sie ihn daran erinnert habe. Gewiß beständen alle ihre Ansprüche zu Recht, nur sein Vater, der Gott Vespasian, sei, wie sie wisse, in gewissen Sachen etwas eigenartig und zurückhaltend gewesen. Er werde Weisung geben, die Sache in kürzester Frist zu regeln. »In kürzester Frist?« verbesserte er sich mit lärmender Betriebsamkeit. »Noch heute, sogleich müssen wir das in Ordnung bringen«, und er klatschte seinen Sekretär herbei und gab unmißverständliche Order.
      Berenike saß lächelnd da, hörte lächelnd die fröhlichen, geschäftigen Weisungen des Kaisers, die ihr und ihrem Bruder den so lange umstrittenen Besitz von vielen Millionen sicherten. Sie hatten, sie und ihr Bruder, die letzten Hasmonäer, einen großen Teil ihrer Reichtümer dazu verwandt, den Staatsstreich zu finanzieren, der diesen Mann und seinen Vater auf den Thron gehoben. Es wurmte sie, daß Titus sich jetzt seiner Schuld so großzügig entledigte. Sie hat ihn geliebt, und er findet sie ab.
      Drei Tage später veranstaltete Titus ein offizielles Abschiedsfest für sie. In schöner Rede feierte er die große, liebenswerte, östliche Fürstin und bedauerte, daß sie seinem Rom so schnell den Rücken kehre, noch bevor sie ihm Gelegenheit gegeben habe, ihr sein neues Theater und seine Spiele zu zeigen. Berenike bemerkte mit einer Art bitterer Genugtuung, daß er sich für diese Rede stenographische Notizen gemacht hatte, die er in seinem Ärmel versteckt trug.
      Dann fuhr sie fort. Von dem gleichen Ostia, wo sie angekommen. Agrippa, Claudius Regin, Quintilian, Cajus Barzaarone, der Hauptmann Chatualdus mit ihrer deutschen Leibwache begleiteten sie zum Schiff. Zwei römische Kriegsgaleeren gaben ihrem Fahrzeug das Geleit, bis die Küste außer Sehweite war. Noch vorher kehrte fröhlich der Hauptmann Chatualdus mit seinen deutschen Soldaten nach der Stadt zurück. Die Juden blieben am Ufer, bis das Schiff verschwand und mit ihm ihre Hoffnungen.
      Berenike hatte sich sogleich, als das Schiff in See stach, in ihre Räume zurückgezogen. Es hatte übrigens in Rom niemand wahrgenommen, daß sie sich am Fuß verletzt hatte.

    Niemals war ein Gast des Kaisers mit größeren Ehren entlassen worden. Überdies erschien am Tag ihrer Abreise das Edikt, das ihr die umstrittenen Herrschaften von Chalkis und Kilikien und den Titel einer Königin zuerkannte. Nach wie vor hing groß ihr Porträt im Empfangssaal des Kaisers. Kein Mensch außer Agrippa und Josef hatte erfahren, was zwischen Titus und ihr vorgegangen war. Dennoch wußten, und das binnen kürzester Frist, Stadt und Reich darum. Diejenigen, die sich vor wenigen Wochen mit Schnelligkeit und Inbrunst von den hervorragenden Qualitäten der Bewohner des rechten Tiberu fers überzeugt hatten, fanden jetzt mit noch größerer Schnelligkeit und Inbrunst zu ihrer alten Überzeugung zurück und ließen die Juden durch doppelt brutale Verhöhnung ihre Minderwertigkeit fühlen. Die Juden, die eine Woche zuvor überheblich und sicher einhergegangen waren, wurden wieder klein und verzweifelt, und die Doktoren ordneten an, daß man in allen Synagogen des Reichs an drei Sabbaten hintereinander jenes« schöne Kapitel des Propheten verlese, das mit den Worten beginnt: »Tröstet, tröstet mein Volk.«
      In den Büros, in denen man die Fechterspiele organisierte, gab es jetzt auf einmal keinen Zweifel mehr, ob man die Restbestände aus

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