Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
den Gefangenendepots des jüdischen Kriegs verwenden solle. Die Preise für diejenigen, die sich freiwillig meldeten, sanken um vierzig Prozent. Niemand mehr interessierte sich für den jungen Mann aus guter Familie, der sich hatte anwerben lassen, um die Kosten für die Beerdigung seines Vaters aufzutreiben.
      Selbst in den Depots der Gefangenen wußte man Bescheid. Man sandte herzzerreißende Bitten an die jüdischen Gemeinden, zu helfen, einen loszukaufen. Die Herren, die für diese Zwecke sammelten, hatten denn auch jetzt größere Erfolge. Trotzdem war für den einzelnen die Chance des Loskaufs gering, es waren der Gefangenen zu viele, und in den Depots blieb man finster, hoffnungslos und betriebsam. Man bat den Gegner, einen nicht zu schonen, so wie man ihn selber nicht schonen werde; denn wer viele Gegner besiegte, hatte doch vielleicht Chance, mit dem Leben davonzukommen. Aber man wußte, daß diese Chance nicht groß war, daß hinter den meisten Namen in der Liste das fatale »P« stand, und während man trainierte, rüstete man sich zu sterben, legte Sündenbekenntnisse ab, traf Verfügungen, betete.
      Titus sank, nachdem Berenike fort war, oft in eine tiefe Zerstreutheit. Er stand vor ihrem Bild und grübelte. Er konnte nicht begreifen, was eigentlich vorgegangen war. Berenike war doch die gleiche Frau gewesen wie früher. Das war das Gesicht, die Brust, die Glieder, die Haltung, das waren Körper und Seele, die er durch zehn Jahre hindurch geliebt hatte. Wie konnte ein so starkes Gefühl, das unwiderstehlichste, das er in seinem Leben gespürt hatte, sich so plötzlich verflüchtigen? War das eine Strafe dieses Gottes Jahve, der ihm sein höchstes Glück wegnahm? Vielleicht aber auch war es im Gegenteil ein Gnadenakt des Capitolinischen Jupiter, der ihm die Augen öffnete und ihn auf seine rechte Aufgabe verwies. Allein diese zweite, tröstliche Auffassung vermochte die erste, beängstigende nicht ganz zu vertreiben.
      Wie immer, bei seinen Römern schaffte dem Walfisch der Bruch mit der Jüdin einen ersten großen Erfolg. Die Liebe des Volkes, um die er so lange vergeblich gekämpft hatte, jetzt fiel sie ihm auf einmal von allein zu. Er genoß sie mit Behagen. Er hatte sich lange genug erlesene Anwandlungen gestattet, eine esoterische Neigung zum Osten. Er atmete auf, nun er diese teuer erkauften Gefühle los war.
      Breit sonnte er sich in der Liebe seines Volkes. Wandte immer neue, raffinierte Mittel an, sie zu steigern. Verschwendete. Erst jetzt hatte er die volle Freude an seinen Bauten, an den großartigen Vorbereitungen der Spiele. Immer seltener ließ er den unbequemen Mahner Claudius Regin vor sein Gesicht. Ohne Begleitung, ohne Maske, ein Privatmann, ging er in den Straßen spazieren und schlürfte es ein, wie die Massen von ihm sprachen. Denn wenn sie jetzt den Namen Walfisch gebrauchten, so geschah es mit Sympathie, mit Zärtlichkeit, und es war nicht mehr viel Unterschied zwischen dieser Bezeichnung und der, die seine Hofpoeten und Rhetoren für ihn erfunden hatten: »Die Liebe und Freude des Menschengeschlechts«.
      Gegen den Rat seines Intendanten feierte er die Vollendung der Neuen Bäder nicht durch ein auf den Adel beschränktes Einweihungsfest, sondern ließ schon am ersten Tag die Massen zu. Er selber fand sich an diesem Tag in dem riesigen herrlichen Etablissement ein, ohne Leibwache, ein beliebiger Mann unter den vielen tausend Besuchern. Entkleidete sich mitten unter allen andern, schwamm mit ihnen in dem Bassin mit lauem und in dem Bassin mit kaltem Wasser, ließ sich mit ihnen zusammen frottieren, sprach mit seinen Nachbarn, im Dialekt, in einem Gemisch von Sabinisch und Römisch, sagte ihnen zur Freude »Rauma« statt »Roma«, scherzte mit ihnen, wieviel man den Bademeistern Trinkgeld geben solle. Er stand mit den andern in der großen Halle vor dem Fresko, das nun freilich nicht das Meisterwerk »Die versäumten Gelegenheiten« war, sondern nur ein ziemlich banaler mythologischer Schinken »Venus entsteigt dem Schaum«. Wie immer, das Fresko bot willkommenen Vorwand zu obszönen Witzen. Er selber riß die obszönsten. Alle erkannten den Kaiser, aber sie gingen von ganzem Herzen auf das Spiel ein und taten, als erkennten sie ihn nicht.
      Bei alledem überkam ihn manchmal, plötzlich, eine grübelnde Fremdheit. War das wirklich er, der da unter schallendem Ruf, den Kopf voran, ins Wasser sprang? War das er, der mit Behagen Rauma sagte statt Roma und über die

Weitere Kostenlose Bücher