Die Söhne.
deutsche Prinz war, auch als die Differenzen zwischen seinem Stamm und dem Reich beigelegt waren, in Rom geblieben. Er hatte am Leben der Stadt Gefallen gefunden, man hatte ihn erprobt und ihm ein Detachement der deutschen Leibgarde des Kaisers unterstellt. Titus nun hatte Order gegeben, daß das Detachement des Chatualdus der Fürstin Berenike während ihres Aufenthalts in Rom als Ehrengarde dienen sollte; die deutschen Soldaten galten als ebenso zuverlässig wie stur. Sie verstanden die Landessprache nicht, sie waren Wilde und hielten infolgedessen Disziplin. Aber, das wußte der Hauptmann Chatualdus, es gab eine Sorte Menschen, die ihnen auf die Nerven gingen: die Juden. In den Wäldern und Morästen der Deutschen erzählte man wüste Märchen von den östlichen Völkern, von den Juden im besonderen, wie feind sie allen blonden Menschen seien und daß sie gern blonde Menschen ihrem eselköpfigen Gott als Schlachtopfer darbrächten. Diese Erzählungen wirkten in den in Rom stationierten deutschen Truppen nach, öfter schon, wenn sie mit östlichen Menschen zu tun hatten, waren sie von Panik befallen worden. Als zum Beispiel August, der Begründer der Monarchie, dem Judenkönig Herodes eine deutsche Leibwache als Ehrengabe nach Jerusalem sandte, hatte der König diese Soldaten bald unter einem höflichen Vorwand zurückschicken müssen. Darum also war jetzt der Hauptmann Julius Claudius Chatualdus voll Sorgen und Zweifel und verfluchte die Schicksalsgöttinnen, die er abwechselnd als Parzen und als Nornen bezeichnete, daß man gerade seinem Detachement diese zweideutige Aufgabe zuwies.
Unter den Juden selbst herrschte Jubel und Zuversicht. Dies äußerte sich auf die verschiedenste Weise. Da waren etwa die Herren, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, für den Freikauf der staatlichen Leibeigenen aus dem jüdischen Krieg Gelder zu sammeln. Sonst flossen, gerade wenn Spiele bevorstanden, die Spenden zu diesem Zweck sehr reichlich. Jetzt aber hatten es die Sammler schwer. Immer wieder bekamen sie zu hören, es sei doch äußerst unwahrscheinlich, daß man bei Spielen zu Ehren einer jüdischen Prinzessin jüdisches Material für die Arena verwenden werde, und sie wurden beinahe überall abgewiesen.
Andernteils änderte sich, nun der Walfisch Ernst machte und die Jüdin offenbar wirklich auf den Thron heben wollte, auch die Haltung der Römer. Viele, die bisher die Juden als minderwertig betrachtet hatten, fanden jetzt, sie seien, wenn man sich näher mit ihnen abgebe, nur wenig von einem selber unterschieden. Viele, die bisher den Verkehr mit ihren jüdischen Nachbarn gescheut hatten, begannen sich an sie heranzumachen. Die Juden bekamen es zu spüren, daß Jahve sich nach so vielen Heimsuchungen anschickte, seinem Volke sein Antlitz wieder zuzukehren und ihm eine neue Esther zu senden.
Manche von ihnen, und zwar gerade diejenigen, die vorher die größte Angst und Servilität gezeigt hatten, fanden sich nur zu rasch in die neue Situation und wurden überheblich. Die Doktoren, besorgt um dieser Überheblichkeit willen, ordneten an, daß man in allen Synagogen des Reichs an drei Sabbaten hintereinander jenes strenge Kapitel des Propheten Arnos verlese, das mit den Worten beginnt: »Wehe den Sorglosen in Zion«, und das denjenigen, die »auf Betten von Elfenbein liegen und die feisten Lämmer und Mastkälber fressen«, die furchtbarsten Strafen androht. Der Präsident der Agrippenser-Synagoge übrigens, der Möbelfabrikant Cajus Barzaarone, war ein wenig verärgert, daß man gerade das Kapitel mit den »Betten aus Elfenbein« gewählt hatte.
Berenike, während das Schiff sich dem Hafen Ostia näherte, stand auf dem Vorderdeck. Aufrecht stand sie, ihre goldbraunen Augen suchten den näher kommenden Hafen voll gewollter Zuversicht. Jahve war gnädig, er hatte die Seuche gesandt und ihr dadurch nochmals Aufschub gewährt. Sicher hatten ihre Ärzte und ihre Energie das Übel wirklich bewältigt, alle sagten es ihr. Sie konnten doch nicht alle lügen.
Eine riesige Menschenmenge empfing sie, als sie mit ihrem Bruder Agrippa den Landungssteg überschritt. Vieltausendstimmig grüßte man sie, den rechten Arm mit der flachen Hand ausgestreckt; der Senat hatte eine starke Delegation abgesandt, Triumphbogen waren errichtet. Sie durchschritt die Reihen der spalierbildenden Truppen, der Hauptmann Chatualdus stellte ihr die deutsche Leibwache vor, die zu ihrem persönlichen Schutz bestimmt war. Im Triumph fuhr sie
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