Die Söldner von Dorsai (Dorsai 1)
dennoch hinunterschauen, um in Athyers blutunterlaufene Augen zu blicken.
„Das hab’ ich mir gedacht“, sagte Athyer und lachte. „Nun, Sir, ich möchte es nicht versäumen, Ihnen vor Ihrer Abreise zu danken. Man hätte mich vor einen Untersuchungsausschuß geladen, Sir, wenn Sie nicht gewesen wären. Vielen Dank, Sir.“
„Ist schon gut, Oberleutnant“, sagte Cletus.
„Alles in bester Ordnung, nicht wahr?“ meinte Athyer. „Ich sitze da in meiner Bibliothek wie in Abrahams Schoß, anstatt eine Rüge einstecken und vielleicht auf die nächste Beförderung verzichten zu müssen. Es besteht keine Gefahr mehr, ins Feld geschickt zu werden, wo ich erneut versagen könnte – oder jedenfalls nicht so smart sein könnte wie Sie am Etterpaß, Sir, nicht wahr?“
„Oberleutnant …“ begann Arvid in drohendem Ton.
„Nein“, sagte Cletus, immer noch auf seine Krücken gestützt, „lassen Sie ihn reden.“
„Vielen Dank, Oberst. Herzlichen Dank, Sir … Ich verfluche Sie, Oberst …“ Athyers Stimme klang plötzlich gebrochen und rauh. „Hat Ihnen Ihr kostbares Ansehen so viel bedeutet, daß Sie mich lebendig begraben mußten? Zumindest hätten Sie mich in Frieden lassen können, um mit meinem Kram recht und schlecht fertig zu werden, ohne diese Mildtätigkeitstour zu reiten! Wissen Sie denn nicht, daß ich jetzt im Felde keine Chance mehr habe? Wissen Sie denn nicht, daß ich jetzt ein Gezeichneter bin? Was soll ich jetzt anfangen, für den Rest meiner militärischen Laufbahn in einer Bibliothek unter lauter Büchern vergraben?“
„Versuchen Sie, die Bücher zu lesen!“ Cletus machte keine Anstalten, seine Stimme zu dämpfen. Er wandte sich direkt an die Leute, die mittlerweile stehengeblieben waren und neugierig lauschten, und zum erstenmal in seinem Leben war er hart und unbarmherzig. „Vielleicht werden Sie auf diese Weise lernen, wie man seine Truppe im Kampf führt … Los, Arv, gehen wir.“
Er schwang seine Krücken und machte einen Bogen um Athyer. Arvid folgte ihm. Als sich die Menge hinter ihnen schloß, hörte er, wie ihm Athyers rauhe Stimme nachrief: „Na schön, ich werde lesen!“ erscholl es hinter ihrem Rücken. „Und ich werde so lange weiterlesen, bis ich eines Tages Ihnen die Leviten lesen kann – Oberst!“
18
Nach sechs Monaten war Cletus nicht nur völlig genesen, sondern auch kräftig genug, um ans Werk zu gehen und das Ziel zu verfolgen, das er im Auge hatte, als er zu den Dorsai emigriert war.
Von seinem täglichen Dauerlauf von fünfzehn Meilen waren jetzt nur noch zwei Meilen zurückzulegen. Er stemmte sich gegen den langen Hügelhang, der wieder zum Ufer des Athan-Sees führte, zu Eachan Khans Haus im Außenbezirk der Stadt Foralie auf der Dorsai-Welt. Seine Schritte wurden kürzer, und er atmete tiefer, aber sonst war es wie vorher. Er hatte sein Tempo nicht gedrosselt.
Es war jetzt fast fünf Monate her, seit man den Gips von seinen Beinen entfernt hatte, wobei sich herausstellte, daß sein linkes Knie vollkommen gesund und wiederhergestellt war. Das örtliche Ärztekollegium war natürlich darauf erpicht, ihn einer Reihe von Tests zu unterziehen, um dieses medizinische Wunder zu studieren, aber Cletus war mit anderen Dingen beschäftigt. Innerhalb einer Woche ging er auf schwankenden Beinen, die gerade erst wieder das Laufen gelernt hatten, zusammen mit Melissa und Eachan Khan an Bord eines Raumschiffes, um zur Dorsai-Welt zu fliegen. Seitdem logierte er als Gast in Eachans Haus, galt als Melissas Verlobter und verbrachte die Zeit mit gnadenlosem physischen Selbsttraining.
Die Trainingsmethoden waren einfach und bis auf einen gewissen Aspekt orthodox. Im Grunde genommen war sein Tag mit Spaziergängen, Laufen,
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