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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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war der greise General Alx Feudenstich nicht allein gekommen, sondern in Begleitung dreier ausnehmend appetitlicher Stadtdamen, seiner »äh, … Großnichten«, wie allgemein gemunkelt wurde. Die drei – eine blond, eine rothaarig, eine dunkelhäutig und schwarzlockig – umschwirrten den General lachlustig und fächerflatternd. Gerris Resea war zur Stelle, um die Damen galant zu begrüßen und sich zu empfehlen. In der sich rasch bildenden Traube von Bewunderern konnte Fenna allerdings – unter einem Drittel der Zweiten Kompanie – auch Behnk und Emara ausmachen.
    General Feudenstich war ein klapperiges Männlein mit weit ausgestellten, krummen Beinen. Er trug eine Schmuckuniform, deren unzählige Zierorden mit ihrem sicherlich nicht unbeträchtlichen Gewicht womöglich für seine stets eingeknickten Knie verantwortlich waren. Immerhin stützte sich der schätzungsweise Achtzigjährige auf einen Stock mit goldenem Adlerknauf.
    Oberst Jenko war höchstpersönlich an die Kutsche geeilt, um den alten General zu begrüßen. Worte wie »Tadellos« und »Bestens, bestens« wurden gewechselt, dann führte der Oberst den General und seine »äh, … Großnichten« in ihre Unterkünfte im Obergeschoss der Führung & Leitung , wo auch sein Büro lag. Bis in die Dunkelheit hinein konnte man von dort dann das Klirren von Fairaier Kristallgläsern und das Gelächter der Damen hören. Hobock & Sells improvisierten vor der Fassade mit ihren auf Hauptmann Veels’ Blasinstrumenten spielenden Kompaniemusikanten eine Art Serenade, die erst richtig gefühlvoll wurde, als Leutnant Hobock eine Laute hervorholte und mit sanfter, aber nichtsdestotrotz eindringlicher Stimme zu singen begann:
    Denk nicht, dass ich nichts Besseres zu leben wüsste,
    Anstatt dorthin zu zieh’n, anstatt dorthin zu zieh’n,
    Wo die Ungeheuer und die Geisterfürsten
    Allenthalben nur nach meiner Seele dürsten.
    Denk nicht, dass ich vom Herzen her nicht bleiben müsste,
    Anstatt dorthin zu zieh’n, anstatt dorthin zu zieh’n,
    Wo die Berge und die Wolken sich verschränken,
    Um mich in einen viel zu frühen Tod zu lenken.
    Denk nicht, dass ich nicht zu schätzen wüsste
    Das Blau deiner Augen, das Blau unseres Himmels,
    Doch wenn ich nicht ginge,
    Würden sie dich blenden,
    Würden Blau und die Dinge
    Für immer beenden.
    Fenna staunte. Der Text war natürlich sentimentales Zeug aus König Rinwes Ära, typisch für die Zeit des Feldzuges gegen den Geisterfürsten, aber das Arrangement der Instrumente war ungewöhnlich. Das Zusammenspiel der leise gespielten Bläser mit der Laute und dem vibrierenden Gesang war aller Ehren wert.
    Gyffs jedoch schnaubte nur. »So sind sie, die Männer: Den Tag über schaben sie in der Latrine herum, und am Abend glauben sie, uns dann durch Gesang betören zu können.«
    » Uns ?«, hakte Fenna lächelnd nach. »Euch Frauen? Ich dachte, in dieser Konstellation bist du nicht die angeschmachtete Schöne auf dem Balkon, sondern eher der Soldat, der ins Feld muss.«
    »Na ja. Kann schon sein. Jedenfalls werde ich nicht so schwülstig singen, wenn es so weit ist.«
    Den Damen des Generals jedenfalls schien es zu gefallen. Sie zeigten sich und ihre tief ausgeschnittenen Abenddekolletés am Fenster, prosteten den Musikanten mit hohen Gläsern zu und warfen Leutnant Hobock sogar eine Blume aus einer der Vasen des Obersts hinunter, die dieser sich zwischen die Pferdezähne klemmte, als er sich abschließend bodentief verbeugte.
    Vor dem Einschlafen grübelte Fenna nach über die längst vergangenen Zeiten, als der Feind noch so eindeutig gewesen war. Der Geisterfürst hatte in den Sonnenfeldern ein Reich des Schreckens errichtet, eine lichtlose Einöde, in der graubrauner Rauch die Atemluft ersetzte. Heute musste man entweder tief in unbekanntes Land hineinmarschieren, um die Gegner überhaupt zu Gesicht zu bekommen, oder man kämpfte gegen Menschen, die vor kurzer Zeit noch königstreu gewesen waren, oder man versuchte vergebens, giftiges Gas aus der Stadt zu fuchteln. Die Zeiten waren schwieriger und komplizierter geworden. Für Heldenlegenden und -gesänge ließ sich kein neuer Stoff mehr finden.
    Der Tag des großen Manövers dämmerte in wässrig wirkenden Rottönen.
    Leutnant Fenna und Leutnant Gyffs hielten auf dem beinahe menschenleeren Hof Morgenappell. Beide schritten sie die Reihe ihrer vierzehn Grünhörner ab. Den frischgebackenen Soldaten war inzwischen beigebracht worden, sich in einer Reihe in alphabetischer Ordnung

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