Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
Vom Netzwerk:
großen Sorgen, dass man ihn abhören könnte. Hundert Prozent sicher war er freilich nicht.
    »Es hat mit den entwischten Vertriebenen zu tun.« Er drückte seine Zigarette auf dem Schreibtisch aus, sodass sie ein schwarzes Brandmal auf dem Holz hinterließ.
    »Dem Vertriebenen. Einzahl.«
    »Was ist passiert?«
    »Der Junge ist gestorben. Hatte aber nichts mit uns zu tun.«
    Harry konnte die Erregung in seiner Stimme kaum unterdrücken. »Aber ihr habt den Mann doch noch, ja?«
    »Er ist beim Roten Halbmond. Im Lager von Maslah.«
    »Pass mir bloß auf den auf. Sonst wird dir das Leid tun. Denk daran, warum wir ihn haben leben lassen.«
    »Sicher. Ich bin doch nicht blöde.«
    Harry schürzte die Lippen. »Noch was. MainShield marschiert in Somaliland ein.«
    »Ich weiß.«
    »Hast du ihnen die Koordinaten von Harims Miliz gegeben?«
    »Alles erledigt.«
    »Othman, verbock mir das nicht«, sagte Harry. »Du hast die verdammten Vertriebenen schon mal laufen lassen. Das darf nicht nochmal passieren.«
    Othman legte auf.
    Harry sank auf das Sofa. Er starrte auf den Fernseher. Noch immer zeigte man Bilder von Hunger und Tod. Dazwischen brachten sie aus den Lagern Interviews mit müden Entwicklungshelfern in schmutzigen T-Shirts und aus diversen TV-Studios salbadernde Fachleute in Anzug und Schlips.
    Harry legte den Kopf zurück und spürte, wie die Müdigkeit sich seiner bemächtigte. Er kippte einen weiteren doppelten Whiskey in sich hinein und schwenkte dann die Eiswürfel in dem leeren Glas. Sie hatten den Vertriebenen und seinen Sohn ganz bewusst verschont bei dem Überfall auf das Lager, um Zeugen dafür zu haben, was da passiert war. Immer wieder hatte er Othman eingeschärft, wie wenig Sinn Terrortaktiken haben, wenn es keine Zeugen gibt, um anderen davon zu erzählen. Er hatte geplant, die Vertriebenen Universal Action wohlgesinnten Journalisten vorzuführen; von laufen lassen war nie die Rede gewesen. Sie hätten sie um ein Haar für immer verloren. Es bestand noch immer eine gewisse Möglichkeit, dass Jim und Maxine den Mann zuerst erreichten, aber Harry zweifelte keinen Augenblick daran, die Auswirkungen eindämmen zu können. Für die Beziehungen zwischen UA und Othman gab es nicht den geringsten Beweis.
    Wenigstens waren die Verhandlungen mit dem UNO-Sicherheitsrat nach Plan gelaufen, nicht zuletzt dank der Bemühungen der US-Delegation. Universal Action, so das Argument dem amerikanischen Vizepräsidenten gegenüber, brauche eine Streitmacht, um in Somaliland für Frieden zu sorgen, andernfalls kamen die Hilfslieferungen gegen den Hunger nicht an. Es sei dies alles Teil des Kriegs gegen den Terror. Harry hatte sogar ein religiöses Argument ins Feld geführt mit der Behauptung, sie führten damit Gottes Krieg gegen den Islam und dass es um die Verbreitung der Wahrheit gehe, um die Eroberung von Herz und Verstand durch Stärke und Hilfe. Die Blase um George W. Bush stand auf diese Art von fundamentalistischem Krampf.
    Harry nahm ein Dokument aus einem Aktendeckel auf seinem Bett. Er enthielt detaillierte Informationen über Othmans Rivalen Harim. Der Kriegsherr befehligte eine mehrere tausend Mann starke Miliz, die sich einen brutalen Machtkampf mit Othman lieferte. Beide planten sie um der Wiedervereinigung Somalias willen, in Somaliland einzufallen. Harrys Übereinkunft mit Othman lief darauf hinaus, ihm bei der Vernichtung von Harims Streitkräften behilflich zu sein. Was Othman nicht wusste, auch wenn er es ahnen mochte, war, dass Harry Othman dann mithilfe MainShields zu vernichten gedachte, um sowohl Somalia als auch Somaliland zu kontrollieren. Es war die einzige Möglichkeit, dem gescheiterten Staat den Frieden zu bringen.
    Harry blätterte die Akte durch, prägte sich die Daten über Harims Streitkräfte, seine Waffen, seine Pläne ein. Er drückte eine Zigarette auf der Armlehne des Sofas aus und brannte damit ein sauberes rundes Loch in den Stoff. Den Zigarettenstummel warf er auf den Boden.
    Sein Telefon klingelte.
    »Hallo?«, sagte er. Funkstille.
    »Hallo?«, wiederholte er.
    Die gedämpfte Stimme einer Frau kam über die Leitung. »Glauben Sie ja nicht, dass Sie damit durchkommen.«
    »Wer ist denn da?«
    »Jemand, den Sie kennen.«
    »Was wollen Sie?«
    »Sie.«
    »Was?«
    »Ich möchte Sie tot sehen, Harry, und wenn es das Letzte in meinem Leben ist.«
    Die Frau legte auf. Verwirrt blickte Harry auf sein Telefon. Auf seinem Laptop, der auf dem Tisch stand, blitzte eine Nachricht auf. Er

Weitere Kostenlose Bücher