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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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Dunst gefüllt. Jerome hustete, was sie entweder nicht mitbekam oder schlicht ignorierte.
    »Macht’s dir was aus, das Fenster aufzumachen? Ich kann den Rauch nicht haben.«
    »Sorry.« Anne ging hinüber zum Fenster. In dem wallenden schwarzen Mantel und dem kurzen weißen Haar musste er an eine Zauberin denken. Sie löste den Haken und öffnete das Fenster. Ein Stoß frischer Luft kam herein.
    »Schon besser«, sagte Jerome. »Harry als Sicherheitschef einzustellen, war von Edwards Perspektive aus ein Geniestreich. Ex-Militär, skrupellos, nach außen charmant, glaubt, der Zweck heiligt die Mittel.«
    »Obwohl Edward, nach allem was ich gehört habe, nicht allzu beeindruckt war, als Harry dich entwischen ließ.«
    »Woher hast du das?«
    »Ich habe so meine Quellen.«
    »Kannst du’s mir nicht sagen?«
    »Nein.«
    »Herrgott, Anne.« Jerome seufzte. »Und was bedeutet das für mich?«
    »Es bedeutet, dass du in noch weit größerer Gefahr bist, als du denkst. Harry ist von Natur aus ein Schweinehund, aber das ist nichts dagegen, wenn ihn etwas wurmt. Und er muss Edward beweisen, dass er seines Vertrauens würdig ist. Ich vermute mal, dass er deshalb selbst gekommen ist, um dich zu erledigen.«
    »Um sich Edward zu beweisen?«
    »Genau.«
    Jerome sank in den Stapel Kissen zurück. Mit einem Mal war er wieder erschöpft.
    »Meiner Ansicht nach solltest du mit deiner Veröffentlichung warten«, sagte Anne und drückte den Stummel ihrer Zigarette in einen gläsernen Aschenbecher.
    Jerome war wie vor den Kopf geschlagen. Das sah Anne so gar nicht ähnlich. Für gewöhnlich war sie eine energische Kämpfernatur, stets bereit, Ungerechtigkeiten anzuprangern, von Exzessen der Macht ganz zu schweigen. Die Studenten drängten scharenweise in ihre Vorlesungen am Institut de Sciences Politiques. Tausende lasen ihre Artikel in
Le Monde Diplomatique
. Man schätzte ihre festen Ansichten über den unmittelbar bevorstehenden weltweiten Kollaps des Kapitalismus und das Heraufkommen einer neuen Demokratie.
    Anne musste ihm seine Verblüfftheit angesehen haben, da sie die Stirn in Falten zog, bevor sie fortfuhr: »Pass auf, es geht hier nicht um irgendeinen Artikel. Du schreibst keine Kritik von der Stange über G8, EU oder wen auch immer. Du schreibst über Universal Action, die größte NRO der Welt mit einem Jahresbudget von zehn Milliarden Dollar und zwei Psychopathen an der Spitze.«
    »Dann sehe ich umso weniger, warum ich warten soll. Je länger ich warte, desto größer deren Chancen, meine Story zu killen – und mich gleich mit, wenn sie schon dabei sind. Ich kann das nicht zulassen.«
    Anne nahm ein Papiermesser von dem kleinen Tisch neben ihr und fingerte daran herum. »Ich glaube einfach nicht, dass du genügend Informationen für eine wirklich starke Story beisammen hast.«
    »Was redest du da? Die Story steht.«
    »Hmm. Wie sieht denn dein Aufhänger aus?«
    Jerome drückte die Leertaste an seinem Laptop, um ihn aus dem Schlafmodus zu holen.
    »Also, es geht im Grunde darum, dass Universal Action bei seinen Meldungen einer Hungersnot am Horn von Afrika übertreibt. Ich zitiere interne Quellen von UA sowie andere Agenturen wie UNDP, laut denen der Hunger keineswegs das von UA behauptete Ausmaß hat. Ich weise darauf hin, dass nicht eine einzige andere Organisation an die Weltöffentlichkeit appelliert hat, noch nicht mal das britische Disasters Emergency Committee.«
    Anne schürzte die Lippen. »Äußern deine Quellen sich offiziell?«
    »Mit Ausnahme einer.«
    »Und wer ist das?«
    »Eine Frau bei UA.«
    »Und die wäre?«
    »Fabienne Duponchel«, sagte er.
    »Die gute alte Fabienne?«
    »Du kennst sie?«
    »Wir haben zusammen an der Sorbonne studiert. Eine wunderbare Mitstreiterin, wirklich, wenn auch etwas aufbrausend.«
    Bisschen wie du, hätte er fast gesagt. »Sie hat mir von den Massakern in den IDP-Lagern erzählt. Sie hat das erste selbst entdeckt. Sie hält das für Terrortaktik. Um der Bevölkerung Angst zu machen.«
    Anne legte das Papiermesser wieder zurück auf den Tisch. »Schon, aber das kann ja nicht alles sein. Da steckt noch was anderes dahinter.«
    »Aber was?«
    »Das herauszufinden, ist deine Arbeit. Da liegt die wahre Geschichte. Nicht weiter verwunderlich, dass Fabienne nicht zitiert werden will. Es würde ihre Position gefährden und ihre eigenen Nachforschungen behindern.« Wieder zog Anne die Stirn in Falten. »Was hast du denn, von den Zitaten mal abgesehen, konkret in der Hand?

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