Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
Vom Netzwerk:
Fehler gemacht.

Kapitel 26
    Nairobi, Kenia
22. September 2003
    Eine halbe Stunde später erreichten sie das Stanley Hotel. Ein Portier öffnete ihnen die Tür des Taxis und führte sie in eine Lobby mit marmornem Schachbrettboden und feudalen Sesseln. Beim Einchecken an der Rezeption händigte man Jim einen Umschlag aus.
    »Das hat man für Sie hinterlassen, Sir.«
    Jim steckte den Umschlag ein und warf Maxine einen fragenden Blick dabei zu, sagte jedoch kein Wort. Kaum waren sie auf ihrem Zimmer, riss er den Umschlag auf. Es war ein Ausschnitt aus der Londoner
Times
vom 22. September mit der Schlagzeile: »Miliz tötet Hunderte in Somaliland, während Hungersnot wächst«:
    »Die Lage in Somaliland verschlechtert sich zusehends, während Berichten von Universal Action zufolge die verstärkte Aktivität der Milizen die Ernährungssituation noch verschärft. Ein Angriff von Milizen auf ein Lager für Binnenvertriebene nahe der äthiopischen Grenze kostete gestern über 900 Männern, Frauen und Kindern das Leben. Viele von ihnen starben bei dem Versuch zu fliehen.
    Dazu Harry Steeler, Sicherheitschef von Universal Action: ›Somaliland leidet bereits an einer ernsten Nahrungsmittelknappheit, aufgrund derer sich Hunderttausende vom Hungertod bedroht sehen. Ohne irgendeine Form bewaffneter Intervention zur Wiederherstellung der Ordnung und zur Verhinderung weiterer Übergriffe durch die Milizen wird Universal Action sich schwer tun, die dringend benötigten Hilfslieferungen zuzustellen.‹«
    Der Rest des Artikels schilderte in blutigen Einzelheiten das Massaker, den Haufen abgeschlagener Köpfe und Universal Actions »tapfere« Versuche, die vorhandenen Nahrungsmittel auch tatsächlich zu verteilen. Jim reichte den Ausschnitt Maxine und setzte sich auf das Bett, in deren Luxusmatratze er schier versank.
    »Wer, meinst du, hat uns das hinterlassen?«
    »Keine Ahnung«, sagte sie, während sie las.
    »Wieso sollen wir das lesen?«
    Maxine knüllte den Zeitungsausschnitt zusammen und warf ihn in den Papierkorb.
    »Nicht wegwerfen.« Jim fischte ihn wieder heraus. »Man hat uns den aus gutem Grund zugespielt.«
    Er strich den Artikel glatt und las ihn nochmal. Maxine sank in einen Sessel, machte den Fernseher an und begann die Kanäle durchzugehen.
    »Ich geh mich mal umsehen«, sagte Jim im Aufstehen. »Ich glaube, ich weiß, wer das für uns abgegeben hat.«
    »Wer denn?«
    »Wirst schon sehen.«
    Jim nahm die Treppe zur Bar am Pool und suchte sich einen Tisch. Er bestellte eine Coke. Besser, er ließ diesmal die Hände vom Bier. Er beobachtete die Leute rund um ihn. Er sah die üblichen Typen von der UNO und diversen NROs, dazu einige ganz offensichtlich harte Knochen in Sonnenbrillen, wahrscheinlich Leute von privaten Sicherheitsfirmen, und daneben Regierungsvertreter und Geschäftsleute in feinstem Zwirn. Niemand warf ihm verstohlene Blicke zu.
    Er ging hinab in die Lobby, nahm sich eine Zeitung und setzte sich in einen Sessel, von dem aus er die Gäste zu mustern begann. Niemand zeigte das geringste Interesse an ihm. Sollte er sich geirrt haben? Hatte er die versteckte Bedeutung hinter dem Zeitungsausschnitt falsch interpretiert?
    Als er wieder ins Zimmer zurückkam, guckte Maxine BBC News 24.
    »Ist das nicht die Journalistin, deren Freund sie bei der Straßensperre erschossen haben?«, fragte sie und wies mit dem Finger auf den Apparat.
    »Marie?«
    »Genau.«
    Marie saß in einem Fernsehstudio und sprach über ihre Eindrücke von Somaliland. Dazu zeigte man Bilder von hungernden Vertriebenen, von UA-Fahrzeugen und weißen Entwicklungshelfern.
    »Es braucht eine bewaffnete Intervention«, sagte sie eben. »Es ist höchste Zeit, dass jemand die Ordnung wiederherstellt und die Hilfsorganisationen bei ihrer Arbeit schützt.«
    »Wer könnte das Ihrer Ansicht nach sein?«, fragte der Nachrichtensprecher. »Die UNO will sich nicht einmischen. Die USA haben sich bei ihrem letzten Versuch, Somalia zu helfen, die Finger verbrannt. Und die Europäische Union kann man vergessen, da sie sich prinzipiell nicht einigen kann.«
    »Universal Action braucht seine eigenen Streitkräfte«, sagte Marie. »UA ist die größte NRO der Welt. Sie bestreitet den Löwenanteil der Nahrungsmittelversorgung sowie der Dienste im medizinischen und im Bildungsbereich. Man sollte ihr eine eigene Truppe zubilligen, um den Kriegsherren Paroli bieten zu können. Nur so ließen sich Hilfs- und Entwicklungsarbeit in einem stabilen Umfeld

Weitere Kostenlose Bücher