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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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IDP-Camps und Hilfskonvois, wie wir sagen. Du, Othman, ziehst dich dann schleunigst nach Mogadishu zurück. Dort wartest du auf mein Signal. Ich sorge für den Kontakt mit den richtigen Journalisten, denen du die beiden Gefangenen aus dem Lager zuspielen kannst. Wenn die Öffentlichkeit deren Geschichte hört, wird auch noch der Letzte hinter unserer militärischen Invasion stehen.« Er sah Othman und Marion an. »Alles klar?«
    Sie nickten beide. Othman stemmte seine Weinkiste auf, nahm eine Flasche heraus und studierte das Etikett.
    »Haben wir erst einmal einen Erfolg vorzuweisen und der Region die Stabilität zurückgegeben, setzen wir uns für die Wiederholung des Szenarios in ganz Afrika ein«, sagte Harry. »Kongo, Sudan, in jedem verdammten Land, in dem es Konflikte gibt. Universal Action rückt ein, um den Frieden wiederherzustellen und übernimmt dann die Regierung.«
    Keiner der beiden reagierte. Harry zog die Stirn kraus. Hörten sie ihm etwa nicht zu? Oder verstanden sie einfach nicht, was er sagte? Nur wenige verstanden, was er zu erreichen versuchte, nicht in seiner ganzen Tragweite. Einer davon war Edward. Einen Strich unter die Kolonialzeit zu ziehen, war der größte Fehler gewesen, den der Westen in seinen Beziehungen zu Afrika je gemacht hatte. Universal Action, die größte NRO der Welt, die praktisch in jedem afrikanischen Staat präsent war, könnte die Rolle eines neuen Kolonisators spielen und den ums Überleben kämpfenden Kontinent zu Frieden und Wohlstand führen.
    Othman stellte die Flasche in die Kiste zurück und rückte die Sonnenbrille wieder zurecht. »Harry, wir werden irgendwann über Großsomalia reden müssen. Ich möchte Präsident werden.«
    Harry nickte. Er freute sich, dass Othman denn doch noch Interesse zeigte. »Selbstverständlich. Du hilfst uns, uns durchzusetzen. Wir delegieren dann das Alltagsgeschäft der Regierung an dich. Falls du uns hilfst, das Ganze in anderen Staaten zu replizieren.«
    »Ihr delegiert?«
    »UA behält sich die allgemeine Verantwortung für das wiedervereinigte Somalia vor. In der Art eines Protektorats.«
    »Das entspricht nicht unserer Vereinbarung mit Edward.«
    »Dann habt ihr das eben falsch verstanden. So und nicht anders war es gemeint. Somalia bleibt unter UA-Kontrolle und wir gestatten dir zu regieren.«
    Othman schoss hoch. »Wir werden uns nie wieder kolonialisieren lassen. Nie!«
    Harry stand ebenfalls auf, langsam und selbstsicher, bis er Auge in Auge mit Othman war und sein Spiegelbild in den Brillengläsern des Kriegsherrn sah.
    »Wirklich, Othman?«, höhnte er. »Mal vom Namen abgesehen, seid ihr doch längst unsere Kolonie. Also find dich damit ab. Wir kontrollieren die Hilfslieferungen an euch: Nahrungsmittel, Kleidung, Baumaterial, Medikamente und so gut wie alles andere, was ihr so braucht. Wir kontrollieren eure Schulen, eure Krankenhäuser, eure Lager. Wir bauen eure Straßen. Euer Telefonnetz gehört uns. Scheiße, wir schmeißen doch den ganzen Laden für euch!« Harry stieß Othman mit einem Finger gegen die Brust. »Ohne uns wirst du deinen dummen kleinen Krieg nie gewinnen. Wir liefern die Waffen, das Geld und demnächst auch noch ein professionelles Militär.« Er nickte in Marions Richtung, die davongeschlendert war.
    Othman murrte wieder. Harry kam zu dem Schluss, dass er trotz des Betriebswirtschaftsstudiums in Stanford und seiner beeindruckenden Villa am Mittelmeer nichts weiter war als ein kleingeistiger Kriegsherr, Anführer einer bunt zusammengewürfelten Bande von Banditen, auf nichts anderes aus, als sich unter den Nagel zu reißen, was nicht niet- und nagelfest war. MainShield würde sich irgendwann um den Mistkerl kümmern müssen.
    Der Zug hielt vor der Kellerei und der Fahrer läutete die Glocke, als wolle er einen Boxkampf beenden. Othman spuckte aus, hob seine Kiste Wein auf und ging hinüber. Harry und Marion folgten ihm. Unter eisigem Schweigen fuhren sie zurück zum Verkehrsamt von Banyuls. Ohne sich zu verabschieden, stapfte Othman, seine Kiste auf der Schulter, die Straße hinab.
    Harry warf einen Blick auf die Uhr: 18.58. Ihm blieben zwei Stunden, um nach Perpignan zu kommen, von wo aus ihn eine Privatmaschine von Universal Action nach Nairobi fliegen sollte. Davor musste er noch Gérard erreichen, den Chef der Pariser Polizei; er musste erfahren, wo Jerome abgeblieben war.
    Marion musterte Harry mit ihren kleinen schwarzen Augen. »An deiner Stelle würde ich aufpassen, was unseren Kriegsherrn

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