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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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später schlenderte eine Frau auf den Zug zu, Mitte 40, weißes T-Shirt, Strohhut, und nahm neben ihm Platz. Gut gebaut, das Gesicht von der Sonne verbrannt, schien sie die typische amerikanische Touristin. Harry nahm die Gegenwart einer Fremden höflich zur Kenntnis und nickte ihr freundlich zu. Sie erwiderte sein Nicken und konzentrierte sich auf ihren Reiseführer.
    Zwei Minuten später, um 16.59 Uhr, setzte sich ein hochgewachsener, gutaussehender, muskulöser Afrikaner mit buntem Hemd, verspiegelter Sonnenbrille und einer großen Kamera um den Hals neben die Frau. Die Amerikanerin rückte auf, um dem Mann Platz zu machen, der einer Gruppe von afrikanischen Freunden auf dem Gehsteig zuwinkte, als der Zug sich pünktlich um 17.00 Uhr zu bewegen begann.
    Alles verlief nach Plan.
    Der Zug nahm die gewundene Straße die Hügel hinauf, durch die Weingärten, während ein wortreicher Kommentar sich auf Englisch und Französisch über die exquisiten Weine und die ruhmreiche Geschichte der Gegend ausließ. Harry, die Amerikanerin und der Afrikaner saßen schweigend da, starrten hinaus auf die Hügel und das glitzernde, mit kleinen Schiffen gesprenkelte Meer. Der Zug hielt vor einer kleinen weißen Kapelle auf einer Hügelkuppe. Der Fahrer wies darauf hin, dass sie zehn Minuten hätten, um sich bei einem Spaziergang die Gegend anzusehen.
    Während die Touristen sich aus dem Zug drängten, wandte Harry sich an seine Nachbarn.
    »Alles klar?«, fragte er.
    Der Afrikaner nickte. »Kein Schatten. Meine Leute passen auf.«
    Es bestand keine Notwendigkeit, sich vorzustellen. Sie kannten einander, auch wenn der Afrikaner und die Amerikanerin sich nie begegnet waren. Der Afrikaner war Othman, der somalische Kriegsherr. Die Amerikanerin war Marion Smith, stellvertretender CEO von MainShield International, der größten Söldnertruppe der Welt. Ein eindrucksvolles Weibsbild, wie Harry zugeben musste, und das trotz seiner eingefleischten Skepsis gegenüber Frauen beim Militär. Die Miliz des Kriegsherrn und MainShield arbeiteten zusammen unter Harrys Kommando an Terroraktionen gegen Vertriebenenlager, und das bereits seit einiger Zeit.
    Sie stiegen aus dem Zug und spazierten herum, wobei sie beiläufig zu plaudern vorgaben, wie das Leute, die sich eben erst kennen gelernt haben, eben so tun. Harry wies auf den Turm der Kapelle, als zeige er den anderen einen interessanten baulichen Aspekt.
    Als sie sicher sein konnten, dass niemand in Hörweite war, eröffnete Harry das Meeting.
    »Othman, den neuesten Lagebericht.«
    Othman sprach ohne Eile und mit Autorität. »Wir haben zwei Zeugen. Wir bringen sie nach Mogadishu.«
    »Seht zu, dass sie euch nicht entwischen.«
    »Wir sind doch keine Amateure«, sagte Othman, dessen dunkle Brille in der Nachmittagssonne funkelte.
    »Haltet sie fest, bis ich Bescheid gebe. Dann führen wir sie den Medien vor. Wir bringen das ganz groß raus.«
    Othman brummte verhalten. Der Mann war zu stolz für Harrys Geschmack. Er hatte sich zwar bislang bestens bewährt, aber einem somalischen Kriegsherrn traute man, wenn überhaupt, nur bis zu einem bestimmten Punkt.
    »Die Waffen?«, fragte Harry.
    »Gingen nach Mogadishu.«
    »Alles da?«
    »Alles da: AKs, Macheten, Munition.«
    Harry hatte mit MainShields Hilfe eine Lieferung von fünf Containern Handfeuer- und anderen Waffen mit einem Frachter von Universal Action arrangiert. Man hatte sie unter Getreide, Speiseöl und anderen Hilfsgütern für die Lager am Horn von Afrika versteckt. Man hatte einige Hände geschmiert und niemand hatte auch nur mit der Wimper gezuckt. Bezahlt hatten sie die Waffen aus Universal Actions allgemeinen Mitteln – von den zigmillionen Dollar mit anderen Worten, die großzügige Amerikaner und Europäer Monat für Monat spendeten, damit UA sie dort einsetzte, »wo die Not am größten« war, wie es in den Aufrufen hieß. Nach einigen Überweisungen über falsche kenianische NROs und Strohfirmen auf den Caymans war das Geld an einen lybischen Waffenhändler gelangt, der sich um die Lieferung gekümmert hatte.
    »Ich hielt es für wichtig, uns persönlich zu treffen«, sagte Harry. »Was ich eher selten mache. Ist einfach zu riskant.«
    Marion nickte beifällig. Othman richtete den Blick über die Hügel in die Ferne.
    Harry fuhr fort: »Die Verhandlungen mit dem Sicherheitsrat gehen voran. Wir werden bald eine Antwort haben.« Er begann an den Fingern zu zählen: »Die Amerikaner sind dafür, die Briten erwärmen sich für die

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