Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
vor und sprach mit leiser Stimme, vertraulich, so als wären sie alte Freunde. »Hör mal, Kendra und ich haben gerade drüber geredet. Wir haben die Nachricht wegen Ebbtide in den amtlichen Bekanntmachungen gesehen. Kendra hat gesagt, Ebbtide gehört eurer Familie schon so lange wie Cedar Haven ihrer. Ganz schön heftig, das Haus nach so vielen Jahren zu verlieren. Die Sache ist die, wir sind selbst auf der Suche nach einem Haus. Vielleicht könnten wir uns also gegenseitig helfen.«
Ty erstarrte. Hatte der Typ das gerade wirklich gesagt?
Ryan griff in die Innentasche seines Sakkos und holte ein Visitenkartenkästchen aus Sterlingsilber mit Monogramm hervor. In irgendeinem Karton, den Ty seit dem Umzug nach Nag’s Head nicht mehr ausgepackt hatte, lag ein identisches Visitenkartenkästchen, nur waren darin seine Initialen eingraviert. Es war ein Hochzeitsgeschenk von Kendras Mutter, die noch nie für ihren Einfallsreichtum bekannt gewesen war.
Ryan hielt eine Visitenkarte beiläufig zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ruf mich doch an, ja? Ist ja nicht nötig, dass sich die Bank Ebbtide schnappt.«
Ty ließ die Karte auf Ellis’ Teller mit dem nur zur Hälfte gegessenen Schwertfisch fallen. Er nahm ihre Hand und zog sie nicht gerade sanft vom Tisch weg. Nur raus aus diesem Lokal. Fort von Kendra und ihrem neuen Gatten, dem Arschgesicht, mit ihrer Flasche Rosé für sechzig Dollar.
28
Ellis ließ sich aus dem Restaurant ziehen und praktisch in Tys Bronco schieben. Es gelang ihr ungefähr fünf Minuten, ihren Wutausbruch zurückzuhalten. Dann explodierte sie.
» Dir gehört Ebbtide?«
Ty zuckte zusammen, dann nickte er. »Ja. Zumindest noch .«
»Und Mr Culpepper? Unser mürrischer, aber netter Vermieter?«
Ty seufzte. »Der sitzt neben dir.«
»Die ganze Zeit habe ich dir E-Mails geschrieben? Und mich bei Mr Culpepper nach dir erkundigt? Mich über dich beschwert?«
»Tut mir leid.«
»Intelligent«, sagte Ellis und presste die Lippen aufeinander. »Du hältst dich wahrscheinlich für unglaublich intelligent, mich so hinters Licht geführt zu haben. Mit Sicherheit hast du dir vor Lachen in die Hose gemacht da drüben in deiner Garage.«
»Hör zu, dabei ging’s nicht um dich«, versuchte Ty zu erklären. »Ich verrate meinen Mietern nie, wer Mr Culpepper ist. Wenn sie wüssten, dass ihr Vermieter direkt über der Garage wohnt, hätte ich niemals meine Ruhe. Die würden auch mitten in der Nacht an meine Tür klopfen und über den Durchlauferhitzer, die Ameisen oder sonst was meckern. Oder sie haben den Schlüssel verloren. Und ich soll alles an Ort und Stelle fallen lassen, weil sie nicht in der Lage sind, auf ihren Hausschlüssel aufzupassen? Du würdest nicht glauben, wie nervig die Leute sein können. Wenn ich nichts verrate, bin ich nur der nichtssagende Faulenzer von nebenan. Wenn einer was von Mr Culpepper will, muss er ihm eine E-Mail schreiben, dann kümmert er sich darum. Früher oder später.«
»Und ich bin die größte Nervensäge von allen, stimmt’s?«, fragte Ellis. »Meckere Tag und Nacht herum.«
»Ähm, am Anfang schon«, sagte Ty aufrichtig. »Ich meine, zuerst dachte ich, du wärst eine Nervensäge, aber als ich dich dann kennengelernt habe, war es was anderes. Hey, ich hab euch einen neuen Herd besorgt, oder? Und die Teller mit den rosa Blumen, das ist das Porzellan von meiner Großmutter! Ich wollte dir das mit Culpepper sagen, ehrlich.«
»Hast du aber nicht«, gab Ellis zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Julias Bügel-BH schnitt ihr ins Fleisch, und das Korsett war so eng geschnürt, dass sie kaum Luft bekam, doch sie traute sich nicht, an den Bändchen zu ziehen, aus Angst, es würde noch mehr Brust zeigen. Wieso hatte sie sich von den anderen bloß überreden lassen, so was anzuziehen? Was machte sie eigentlich mit diesem Loser, diesem Lügner?
»Wollte ich aber«, sagte Ty. »Heute Abend wollte ich es dir sagen. Aber ich hatte keine Chance.«
»Unglaublich«, Ellis drehte sich weg und starrte aus dem Fenster.
Schließlich bogen sie in die Zufahrt von Ebbtide ein. Ty stellte den Bronco neben die Garage, doch bevor er aussteigen und Ellis die Tür öffnen konnte, hatte sie sie selbst aufgestoßen und sprang wie ein geölter Blitz aus dem Wagen.
»Ellis«, begann Ty.
»Vielen Dank fürs Essen … Mr Culpepper«, brachte sie heraus. Sie konnte sich gerade noch zusammenreißen, um nicht ins Haus zu stürzen. Mit diesen verfluchten hohen Absätzen, die
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