Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
Außenmauer seiner Wohnung lehnte und beobachtete, wie sie zahllose Koffer, Kisten und Taschen ins Haus schleppte, gefiel ihm durchaus, was er sah. Ihre Figur hätte seine Mutter »stramm« genannt; sie hatte einen runden Hintern, der wahrscheinlich nicht modern war, den Ty jedoch faszinierend fand. Ihr Haar wurde von einem Band zurückgehalten, und ihr ovales Gesicht leuchtete in der Nachmittagshitze.
Faszinierend. Aber nein, beschied er sich streng. Diese Ellis mochte einen süßen Hintern haben, aber sie hatte sich bereits als kapitale Nervensäge erwiesen, eine Ablenkung, die er gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte. Tys Handy piepste. Er nahm es hoch und las die Meldung. Hodarthe, ein Pharmazieunternehmen aus Topeka, gab bekannt, dass die Bundesgesundheitsbehörde ein vielversprechendes, cholesterinsenkendes neues Mittel genehmigt hatte. Vielleicht war es an der Zeit, einige seiner Aktien abzustoßen. Oder es war schon zu spät. Er musste schnell recherchieren.
Ellis Sullivan beugte sich über den Kofferraum des Honda und Ty gönnte sich einen letzten sehnsüchtigen Blick, dann machte er sich wieder an die Arbeit.
Ellis war gerade damit fertig, die erste Tüte Lebensmittel zu verstauen, als sie zufällig einen Blick auf die Arbeitsfläche warf, wo sie Haushaltsrollen, Toilettenpapier und Kaffee zwischengelagert hatte. Ameisen! Eine kleine Armee bildete eine schwarze Linie von der Fensterbank bis hinter die Spüle. Urgs! Ellis griff zu einem Küchentuch, machte es nass und wischte panisch über die Arbeitsfläche. Sie zog die Tür unter der Spüle auf, suchte Insektenspray, fand aber nur einen feuchten Schwamm und eine Plastikflasche Rohrfrei.
Sie lief in die Wäschekammer und zum Wäscheschrank, riss Türen auf, doch nirgends war eine Spur von Insektenspray zu finden. Ellis erschauderte. Ihr Leben lang hatte sie diese Krabbeltiere gehasst, und obwohl sie Savannah und den Süden liebte, hatte sie nach dem Umzug nach Philly die Insekten aus dem Süden nicht eine Minute lang vermisst. Sie kämpfte gegen den Impuls, zum Wagen zu laufen und in den nächstbesten Laden zu fahren, um dort ein Arsenal von Insektenvernichtungsmitteln zu kaufen. Es waren doch nur harmlose kleine Zuckerameisen, redete sie sich ein. Bei Kakerlaken wäre sie so was von weg gewesen.
Sie zwang sich, in die Küche zurückzugehen. Sie gab Rohrfrei auf ein Küchentuch und betupfte die Fensterbank damit. Das dürfte diesen miesen kleinen Viechern das Leben etwas schwerer machen, dachte sie grimmig. Zumindest bis sie ordentliches Insektenspray in die Finger bekam. Ellis verstaute die übrigen Einkäufe, stellte die Dosen mit Cola Light, den Weißwein, die halbfette Milch, die Sahne und die Wasserflaschen in den Kühlschrank. Sie fand einen leeren Schrank und beschloss, ihn zur Bar umzufunktionieren. Wodka, Gin, Rum, Scotch für alle und Whiskey für Julia, die im zarten Alter von vierzehn ein knallharter Jack-Daniels-Fan geworden war. Damals hatte sie nämlich angefangen, den Whiskey aus dem Barschrank ihres Vaters zu stibitzen und seine Flasche mit Wasser aufzufüllen. Ellis hatte auch Getränke zum Mixen gekauft: Tonic, 7-Up, Grapefruitsaft und sogar Cranberrysaft für Dorie, die gerne den Cape-Cod-Cocktail trank. Seltsamerweise konnte sie sich nicht erinnern, was Willa gerne trank. Dories Schwester Willa war zwei Jahre älter, weshalb sie früher der Anlaufpunkt der Freundinnen gewesen war, wenn sie Alkohol trinken wollten. Willa hatte nämlich einen Freund, Ricky, der schon Alkohol kaufen durfte. Natürlich nahm Willa ihnen dafür immer fünf Dollar extra ab, was Ellis ziemlich mies von ihr fand. Aber so war Willa halt. Schon damals hatte sie immer einen Plan gehabt und war auf ihren Vorteil bedacht gewesen – es ging immer nur um sie, Willa.
Jetzt fehlte nur noch eine Sache, damit Ellis mit der Küche zufrieden war. Neben dem Herd hing ein grottenhässliches Gemälde mit Meerespanorama an der Wand. Sie nahm es herunter, legte es oben auf den Kühlschrank und ersetzte es durch eine Weißwandtafel, die sie vor dem Urlaub im Bürobedarfsgeschäft gekauft hatte. Eine glückliche Dreiviertelstunde hatte Ellis damit verbracht, ein Diagramm für die Aufgabenverteilung zu erstellen. Sorgfältig hatte sie die jeweiligen Tätigkeiten, Wochentage und Namen in verschiedenen Farben eingetragen. Es war ein echtes Kunstwerk geworden.
Ellis trat einen Schritt zurück und bewunderte ihre Arbeit. Nun, dachte sie, war es Zeit, nach oben zu gehen und
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