Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Hallo.
DER STURM
D ie Consolidated Universal Langzeitlagerung ist ein grauer und gedrungener langer Klotz, der sich neben dem Highway gleich hinter der Stadtgrenze von Enterprise, Nevada, breit macht. Als ich auf den großen Parkplatz fahre, spüre ich, wie mir diese konturlose Masse aufs Gemüt drückt. Sie ist die in Form gegossene Industriepark-Tristesse, aber wenigstens lässt sie darauf hoffen, dass Schätze in ihrem Inneren schlummern. Das Applebee’s-Restaurant, drei Meilen den Highway hinauf, ist auch deprimierend, aber da weiß man wenigstens, was einen erwartet.
Um bei Con-U hineinzukommen, muss ich durch zwei Metalldetektoren und eine Röntgenschleuse und werde anschließend von einem Sicherheitsbeamten namens Barry abgetastet. Tasche, Jacke, Brieftasche und Kleingeld werden konfisziert. Barry sucht nach Messern, Skalpellen, Spitzhacken, Ahlen, Scheren, Bürsten und Wattebäuschen. Er überprüft die Länge meiner Fingernägel, dann gibt er mir rosa Latexhandschuhe, die ich überziehen muss. Zum Schluss steckt er mich in einen weißen Tyvek-Anzug mit Gummizügen an den Handgelenken und Überziehern für die Schuhe. Als ich mich in die trockene, makellose Luft des Lagergebäudes hineinbegebe, bin ich zu vollkommener Passivität verdammt: Ich kann von keiner physischen Substanz im bisher bekannten Universum etwas abbrechen, abkratzen, abätzen oder eine chemische Reaktion bei ihr auslösen. Ich schätze mal, ich könnte immer noch an irgendetwas lecken. Es überrascht mich, dass Barry mir den Mund nicht mit einem Klebeband versiegelt hat.
Cheryl nimmt mich in einem schmalen, von kalten Deckenneonröhren beleuchteten Flur in Empfang, vor einer Tür, auf der in großer schwarzer Schablonenschrift die Worte Z UGAN G / Z UGANGSVERWEIGERUNG stehen. Sie wirken so gewichtig, als würden sie so was wie R EAKTORKERN besagen.
»Willkommen in Nevada, Kleiner!« Sie winkt und schenkt mir ein strahlendes Lächeln, bei dem sich ihre Wangen zu Bällchen formen. »Richtig schön, hier draußen mal ein neues Gesicht zu sehen.« Cheryl ist eine Frau in mittleren Jahren mit krausem schwarzem Haar. Sie trägt eine grüne Strickjacke mit einem hübschen Zickzackmuster und staubblaue Mom- Jeans – offensichtlich sind Tyvek-Anzüge nicht ihr Ding. Das Con-U-Mitarbeiterabzeichen hängt an einer Kordel um ihren Hals, und auf dem Foto darauf sieht sie zehn Jahre jünger aus.
»Okay, Schätzchen. Das hier ist das intermuseale Ausleihformular.« Sie händigt mir ein zerknittertes blassgrünes Blatt aus. »Und das ist das von uns.« Wieder ein Blatt Papier, diesmal ein gelbes. »Und das hier müssen Sie unterschreiben.« Es ist rosa. Cheryl holt tief Luft. Sie runzelt die Stirn und sagt: »Folgendes, Schätzchen. Ihre Institution ist nicht in ternational akkreditiert, darum können wir das Orten und Packen nicht für Sie erledigen. Ist gegen die Vorschriften.«
»Orten und Verpacken?«
»Tut mir leid.« Sie gibt mir ein iPad aus der Vorgängerge neration, das in einer Reifengummihülle steckt. »Aber hier ist eine Karte. Wir haben ja jetzt diese tollen Pads.« Sie lächelt.
Das iPad zeigt einen kleinen Flur (sie legt den Finger darauf – »Sehen Sie, hier sind wir«), der in ein gigantisches leeres Rechteck mündet. »Und das da ist das Lager, da vorn durch.« Sie hebt den Arm, an dem Armreifen klimpern, und zeigt den Flur entlang auf eine breite Doppeltür.
Ein Formular – das gelbe – teilt mir mit, dass die Gerritszoon-Patrizen auf dem Regal Z ULU -2591 ruhen. »Und wo finde ich das?«
»Ehrlich, Schätzchen, es ist schwer zu beschreiben«, sagt Cheryl. »Sie werden schon sehen.«
Das Langzeitlager von Con-U ist der unglaublichste Raum, den ich je gesehen habe. Bedenken Sie, dass ich bis vor Kurzem in einer auf hochkant gekippten Buchhandlung gearbeitet und unlängst eine geheime unterirdische Bibliothek besucht habe. Bedenken Sie außerdem, dass ich als Kind die Sixtinische Kapelle und während meines Aufenthalts im Science-Camp einen Teilchenbeschleuniger besichtigt habe. Diese Lagerhalle toppt sie alle.
Über allem schwebt eine hohe Decke, gerippt wie ein Flugzeughangar. Am Boden ist ein Labyrinth aus großen Metallregalen voller Kisten, Boxen, Behälter und Tonnen. Keine große Sache. Aber die Regale – die Regale bewegen sich.
Einen Augenblick wird mir übel, weil alles vor meinen Augen verschwimmt. Die ganze Anlage krümmt und windet sich wie Tausende von Würmern in einem Eimer; es ist genau dieselbe
Weitere Kostenlose Bücher