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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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sich überlappende, schwer nachvollziehbare Bewegung. Die Regale sind auf dicke Gummireifen montiert und wissen sie zu benutzen. Sie bewegen sich in kleinen, kontrollierten Stößen, dann sprinten sie durch die freien Gassen. Sie halten an und lassen einander höflich Vortritt; sie rotten sich zusammen und bilden lange Karawanen. Es ist unheimlich. Voll der »Zauberlehrling«.
    Die Karte auf dem iPad ist also deswegen leer, weil sich die Anlage in Echtzeit umarrangiert.
    Der Raum ist dunkel, es gibt keine Deckenbeleuchtung, aber an jedem Regal ist oben eine orangefarbene Lampe angebracht, die blitzt und rotiert. Das Licht wirft seltsame kreisende Schatten, während die Regale ihre komplizierten Wanderungen vollführen. Die Luft ist trocken – richtig trocken. Ich befeuchte meine Lippen.
    Ein Regal, das ein Gestell mit langen Speeren und Lanzen beherbergt, zischt an mir vorbei. Dann macht es eine scharfe Kurve – die Lanzen klappern –, und ich sehe, dass es auf breite Türen zusteuert, die sich am anderen Ende der Halle befinden. Dort ergießt sich kühles blaues Licht in die Dunkelheit, und ein Team in Tyvek-Montur hebt Kisten von den Regalbrettern, schaut prüfend auf Klemmbretter und trägt sie von dannen. Regale stellen sich an wie Schulkinder, zappeln und drängeln; als die weißen Anzüge mit ihnen fertig sind, schieben sie wieder ab und rollen zurück ins Labyrinth.
    Hier, im fortschrittlichsten externen Lagerservice für den historischen Unterhaltungssektor westlich des Mississippi, findet man die Artefakte nicht. Die Artefakte finden einen.
    Das iPad blinkt mich an und zeigt mir jetzt einen blauen Punkt mit der Aufschrift Z ULU -2591 nahe der Mitte des Raums. Okay, das hilft weiter. Es muss ein Transponder-Tag sein. Oder Zauberei.
    Vor mir auf den Boden ist eine dicke gelbe Linie gemalt. Ich setze vorsichtig einen Zeh darüber, und die Regale in meiner Nähe weichen alle schreckhaft zurück. Das ist gut. Sie wissen, dass ich hier bin.
    Darum wage ich mich vorsichtig in den Mahlstrom hinein. Einige Regale verringern ihr Tempo nicht, verändern aber ihren Lauf so, dass sie knapp hinter mir oder knapp vor mir vorbeirollen. Ich gehe gleichmäßig, mache langsame, gezielte Schritte. Während sie um mich herumziehen, bilden die Regale eine Parade der Wunder. Da gibt es riesige Urnen mit einer Glasur in Blau und Gold, festgeschnallt und in Schaum gummi verpackt; große Glaszylinder, gefüllt mit braunem Formaldehyd, in denen sich schlängelnde Tentakel schwach zu erkennen sind; kleine Kristallblöcke, die aus rauem schwarzem Gestein herauswachsen und in der Dunkelheit grün leuchten. Ein Regal beherbergt ein einziges Ölge mälde von fast zwei Metern Höhe: das Porträt eines schmollenden Handelsfürsten mit dünnem Bärtchen. Seine Augen scheinen mich zu verfolgen, während sein Bild um eine Ecke kurvt und sich meinem Blick entzieht.
    Ich frage mich, ob Mats Miniaturstadt – naja, jetzt ist sie Mats und Ashleys – eines Tages auf Regalen wie diesen hier enden wird. Ob sie sie dann hochkant festschnallen? Oder werden sie sie vorsichtig auseinandernehmen und jedes Gebäude einzeln in Gaze verpacken und verstauen? Werden die Regale auseinanderdriften und verschiedene Wege gehen? Wird sich Matropolis über die Anlage verstreuen wie eine Wolke aus Sternennebel? So viele Menschen träumen davon, dass etwas, was sie selbst geschaffen haben, ins Museum kommt … ob das hier wohl ihren Vorstellungen entspricht?
    An den Seitenwänden der Anlage verläuft eine Art Schnellstraße; hier treiben sich vermutlich die begehrten Artefakte herum. Aber als ich meinem iPad folge und weiter zum Zentrum der Halle vordringe, verlangsamt sich die Bewegung der Dinge. Hier gibt es Fächer mit Weidenmasken, Teeservice, in Styroporkugeln verpackt, dicke Metalltafeln, von ausgetrockneten Seepocken verkrustet. Hier gibt es einen Flugzeugpropeller und einen dreireihigen Anzug. Hier sind die Sachen sonderbarer.
    Aber es gibt hier nicht nur Regale. Sondern auch rollende Tresore – riesige Metallboxen auf Panzergleitketten. Manche kriechen langsam voran; manche stehen an ihrem Platz. Alle haben ausgeklügelte Schlösser, und oben sitzen blinkende schwarze Kameras. Bei einem prangt in greller Schrift eine Warnung vor biologischen Risiken über der Front; ich mache einen großen Bogen darum.
    Plötzlich ertönt ein hydraulisches Schnappen, und einer der rollenden Tresore erwacht zum Leben. Er ruckelt an, und das orangefarbene Licht

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