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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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einen leeren Kosmos trudelt, und das Mädchen schaut nach unten und –
    »Was ist das?«, fragt sie und hebt eine Augenbraue. Eine wunderschöne dunkle Augenbraue.
    Okay, ich darf das jetzt nicht vermasseln. Bloß nicht zu nerdy klingen:
    »Naja, es ist ein Modell von diesem Laden, nur dass man auf einen Blick sehen kann, welche Bücher zur Verfügung stehen …«
    Die Augen des Mädchens leuchten auf: »Datenvisualisierung!« Sie ist nicht mehr skeptisch. Mit einem Mal ist sie entzückt.
    »Genau«, sage ich. »Genau das ist es. Hier, guck mal.«
    Wir treffen uns auf halber Strecke, am Ende des Ladentischs, und ich zeige ihr die 3-D-Buchhandlung, die immer noch jedes Mal verschwindet, wenn sie sich zu weit dreht. Sie beugt sich über den Monitor.
    »Darf ich mal den Quellcode sehen?«
    So wie mich Erics Boshaftigkeit überraschte, erstaunt mich jetzt die Neugier dieses Mädchens. »Klar, natürlich«, sage ich und schalte zwischen dunklen Fenstern hin und her, bis der nackte Ruby den Bildschirm ausfüllt, in schönster Farbcodie rung aus Rot, Gold und Grün.
    »So was ist mein Job«, sagt sie, geht noch näher heran und betrachtet den Code. »Data viz. Was dagegen?« Sie zeigt auf die Tastatur. Ähm, nein, schöne nächtliche Hackerin, ich habe überhaupt nichts dagegen.
    Mein limbisches System hat sich an einen gewissen (sehr niedrigen) Grad menschlichen (weiblichen) Kontakts gewöhnt. Aber so, wie sie da neben mir steht und sich ihr Ellenbogen nur ein klitzekleines Stück in meine Rippen bohrt, fühle ich mich mehr oder weniger wie betrunken. Ich versuche, mir meine nächsten Schritte zurechtzulegen. Ich werde Edward Tufte, The Visual Display of Quantitative Information empfehlen. Penumbra hat ein Exemplar – ich habe es im Regal gesehen. Es ist riesig.
    Sie scrollt schnell meinen Code herunter, was ein bisschen peinlich ist, denn mein Code ist vollgepackt mit Kommentaren wie Bingo! und Komm schon, Computer, tanz endlich nach meiner Pfeife .
    »Das ist toll«, sagt sie und lächelt. »Und du musst Clay sein?«
    Es steht im Code – es gibt eine Funktion, die clay_ist_fantastisch heißt. Ich schätze mal, jeder Programmierer kommt auf diese Idee.
    »Ich bin Kat«, sagt sie. »Ich glaube, ich habe das Problem gefunden. Möchtest du mal sehen?«
    Ich habe mich stundenlang abgeplagt, und dieses Mädchen – Kat – hat den Bug in meinem Modell mal eben in fünf Minuten gefunden. Sie ist ein Genie. Sie erklärt mir Schritt für Schritt den Weg zur Fehlerbeseitigung und erläutert mir ihre Beweisführung, die schnell und souverän ist. Und dann, klack, klack, behebt sie den Fehler.
    »Tut mir leid, ich mach mich hier breit«, sagt sie und dreht den Laptop wieder zu mir hin. Sie schiebt sich eine Locke hinters Ohr, richtet sich auf und sagt scheinbar gleichgültig: »Und, Clay, warum baust du ein Modell von dieser Buchhandlung?« Dabei wandern ihre Augen an den Regalen entlang bis zur Decke hinauf.
    Ich bin mir nicht sicher, ob ich die unglaubliche Merkwürdigkeit dieses Ladens wirklich offen ansprechen möchte. Hallo, schön, dich kennenzulernen, ich verkaufe unverkäufliche Bücher an verschrobene alte Leute – wollen wir mal essen gehen? (Und plötzlich packt mich die Gewissheit, dass einer dieser Spinner gleich zur Tür hereinspaziert. Bitte, Tyndall, Fedorov, wie ihr alle heißt: Bleibt heute Nacht zu Hause. Lest weiter.)
    Ich probiere es anders: »Es ist ein bisschen was Historisches«, sage ich. »Der Laden besteht schon seit fast einem Jahrhundert. Ich glaube, er ist die älteste Buchhandlung der Stadt – vielleicht an der ganzen Westküste.«
    »Das ist ja toll«, sagt sie. »Im Vergleich dazu ist Google ein Baby.« Das erklärt es: Dieses Mädchen arbeitet bei Google. Also ist sie wirklich ein Genie. Außerdem hat sie einen niedlichen Zahn, dem eine kleine Ecke fehlt.
    »Ich mag solche Daten«, sagt sie und zeigt mit dem Kinn auf meinen Laptop. »Daten aus der richtigen Welt. Alte Daten.«
    Dieses Mädchen hat den Funken des Lebens in sich. Der ist mein wichtigster Filter bei der Auswahl von Freunden (und Freundinnen) und das höchste Kompliment, das ich zu vergeben habe. Ich habe oft versucht, mir darüber klar zu wer den, was ihn entfacht – welcher Cocktail aus Eigenschaften sich im kalten, dunklen Kosmos zusammenfügt, um einen Stern hervorzubringen. Ich weiß, dass er hauptsächlich im Gesicht zum Ausdruck kommt – nicht nur in den Augen, sondern in den Brauen, den Wangen, dem Mund und den

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